Schnapsdrosseln
machte er jetzt alles schwer.
»Ich bin weiß Gott die Letzte, die als Beziehungsratgeberin taugt«, sagte Stefanie. »Aber du denkst eindeutig zu viel.«
Sie hatten sich auf einer Bank niedergelassen. Stefanie rauchte eine Zigarette. »Denken ist eine gute Sache. Aber wenn es um Beziehungen geht, funktioniert das nicht.«
»Ich verstehe ihn einfach nicht«, sagte Britta. »Ich kapiere nicht, was er eigentlich will.«
»Na, das ist aber doch wohl das einzig Offensichtliche. Er will dich.« Sie schwieg einen Moment. »Und du verschwendest ziemlich viel Energie darauf, dir einzureden, dass du nicht weißt, was du willst. Mach es dir nicht so schwer. Kümmer dich um deine eigenen Bedürfnisse. Du brauchst keinen, der die Verantwortung für dich übernimmt. Du willst nicht gerettet werden. Oder?«
»Nein, natürlich nicht. Aber ich bin nicht sicher … ich meine, ich weiß ja selbst nicht, was genau …«
»Musst du ja auch nicht. Das, was du bisher geplant hast, hat eh nicht funktioniert. Du hast ihn rausgeworfen, weil du dachtest, dass er dich sowieso verlässt. Um es hinter dich zu bringen quasi.«
»Nein!«, widersprach Britta. »Vielleicht ein bisschen«, räumte sie dann ein. »Aber vermutlich ist das genau das wirkliche Problem. Ich bin neurotisch.« Sie sah zu, wie sich eine Rauchwolke langsam auflöste, und wünschte sich für eine Sekunde, auch diesem Laster zu frönen. Es war so ein Moment, in dem es sich gut anfühlen würde, zu rauchen.
»Ich bin neurotisch«, wiederholte sie. »Aber ich habe auch allen Grund dazu. Man hat mich mein Leben lang belogen und verarscht. Wenn ich nicht zufällig darüber gestolpert wäre, wüsste ich heute noch nicht, wer mein Vater ist. Und mein Vater ist immer noch mehr mein Chef, und er gibt mir Geld, das ich eigentlich nicht will, aber solange ich keine Ahnung habe, was ich mit meinem Leben anfangen soll, nehme ich es trotzdem. Ich hänge in der Luft, ich komme nicht weiter, ich kriege gar nichts auf die Reihe. Ich darf neurotisch sein. Ich habe gar keine Wahl!« Das klang sogar in ihren Ohren ziemlich nach kindischem Trotz.
Stefanie nickte. »Absolut. Du musst nur aufhören, dich dafür zu geißeln und zu entschuldigen. Schau dich mal um. Alle Menschen sind neurotisch. Das sollte dich nicht davon abhalten, das zu tun, was sich gut anfühlt. Der Typ will was von dir, du willst was von ihm. Es gibt wesentlich schlechtere Ausgangspositionen.«
»Aber es wird böse enden! Er erträgt mich nicht lange, das weiß ich. Ich ertrag mich selber doch kaum im Moment.«
»Was er erträgt und was nicht, ist sein Problem, nicht deins. Und vielleicht solltest du in Betracht ziehen, dass du längst nicht so schlimm bist, wie du glaubst.« Stefanie lachte. »Ich finde zum Beispiel, dass du ganz charmant neurotisch bist. Hör auf, alles kaputtzudenken. Geh hin, heute Abend. Trink was mit ihm. Wenn dir danach ist, kannst du mit ihm knutschen, du kannst mit ihm ins Bett gehen. Du kannst ihm auch ein Bier ins Gesicht kippen und ihn beschimpfen. Je nachdem, was sich so ergibt.«
Das klang einfach. Ganz einfach. Leider bestand durchaus die Möglichkeit, dass Britta alle diese Dinge tun würde. In welcher Reihenfolge auch immer.
»Verdammt«, murmelte sie. »Warum ist alles immer so kompliziert?«
»Ist es nicht«, beantwortete Stefanie die rhetorisch gemeinte Frage. »Und du solltest vielleicht das Wort ›kompliziert‹ für eine Weile aus deinem Wortschatz streichen. Es ist, wie es ist. Du hast Angst. Davor, dass es nicht gut ausgeht. Aber Angst ist ein schlechter Ratgeber. Und am Ende ist es egal. Es kommt, wie es kommt, und dann musst du tun, was du eben tun musst. Weil es die einzige Möglichkeit ist.« Stefanie räusperte sich. »Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede.« Sie warf die Zigarette auf den Boden und trat sie aus. »Egal, was du dir einbildest, es erwischt dich am Ende eiskalt.«
NEUNZEHN
Es gibt keine unsinnigen Gedanken, alles ist irgendwann zielführend, sogar Tulpen und Zaunrüben, giftige Zaunrüben, Gift kann man nur mit Gift bekämpfen.
Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Immer mehr Späne, immer größere. Je mehr Späne fallen, desto dünner wird das Holz, brüchig und empfindlich. Irgendwann muss man nur leicht dagegenklopfen, und es bricht.
Wer nicht hören will, muss fühlen. Noch hat sie die Wahl, ob sie zerbrechen, zerbrochen werden will. Geduld ist für Schwache. Und Warten ist ein Risiko, macht einen selbst zerbrechlich. Anfällig für den Gedanken,
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