Schnapsdrosseln
es wird dir guttun nach diesem Nachmittag.« Sie prostete ihr zu.
Wenn du wüsstest, dachte Britta und tat es ihr gleich, trank und spürte, wie der Schnaps ihre Gedanken auf nicht unangenehme Weise vernebelte.
»Lass ihn einfach hier.« Stefanie betrachtete den schlafenden Louis. »Ich muss sowieso Nachtwache halten. Und ich glaube, Karl freut sich, wenn er nicht allein ist. Lass ihn hier, wenn irgendwas ist, dann ist Doris nur ein paar Häuser entfernt. Und ich rufe dich an, sofort.«
»Das kann ich nicht … ich meine, dann bleibe ich auch. Dann können wir vielleicht abwechselnd ein bisschen schlafen.«
Stefanie schüttelte den Kopf. »Danke, aber das ist keine gute Idee. Ich glaube, ich habe genug Besuch. Mach dir keine Gedanken. Geh aus, amüsier dich. Und morgen ist alles überstanden. Morgen ist dieser Alptraum vorbei.«
Morgen ist der Alptraum vorbei.
Schockstarr von den Worten, die hierherdringen, nach oben, starr ohnehin vom Kauern im Dreck, dreckiger Heuboden, dreckiger Hof, dreckige Hexe.
Keine Geheimnisse mehr. Das zerstört alles, alles, was bis eben gut war. Schmerz der Bewegungslosigkeit, hier oben im Heuboden. Eigentlich wollte man sich weiden an ihrem Schmerz, der nicht Schmerz genug war. Die Töle ist am Leben. Unbegreiflich.
Aber dann der Lichtstrahl. Er. Er ist da. Zeigt sich, dumm, idiotisch, er ist hier, das Geschmeiß hat sich bei der Hexe verkrochen. Es ist keine Überraschung, aber nützliches Wissen, tröstet fast darüber hinweg, dass der Köter lebt.
Und dann sagt sie diese Dinge.
Morgen ist der Alptraum vorbei. Reinen Tisch machen, was weiß sie schon, was weiß der Schmutz von Reinheit?
Ruhig bleiben jetzt, dem Impuls widerstehen, zu schreien, laut zu schreien. Ruhig bleiben jetzt.
Sie wird alles zerstören. Aber das wird man nicht zulassen. Jemand muss sie aufhalten. Jemand wird sie aufhalten. Die Sache zu Ende bringen. Ein für alle Mal. Sie hat es nicht anders gewollt.
EINUNDZWANZIG
Britta stand an der Bushaltestelle. Mit zwei Schnäpsen im Kopf konnte sie unmöglich das Auto nehmen. Bei diesem Wetter, so tröstete sie sich, war es sowieso kaum möglich, einen Parkplatz am Alten Zoll zu finden. Und sie konnte von dort mit der Bahn nach Hause fahren. Sie konnte auch direkt am Hauptbahnhof umsteigen. Wörner anrufen und ihm sagen, dass es ein bisschen viel gewesen war heute Nachmittag.
Aber sie wollte nicht. Vielleicht lag es am Alkohol. Vielleicht lag es auch an dem, was Stefanie gesagt hatte. Britta schaffte es tatsächlich, die Sache nicht weiter zu überdenken. Sie wollte Wörner sehen.
Nicht den, der ihr anstrengende Fragen stellte, der ihr zusetzte, weil er sie viel zu gut kannte, um es ihr leicht zu machen. Sondern den anderen Wörner. Den, der zuhören konnte. Half, das Chaos zu sortieren. Ein Wörner, dessen Anwesenheit tröstlich war und in ihr die Ahnung weckte, dass alles nicht so schlimm war, wie es sich in dem Moment anfühlte.
Sie musste das Gespräch einfach in die richtige Richtung lenken. Weit weg von Norbert Reuter. Er würde sich stellen, gleich morgen. Die Sache würde sich erledigen. Anna Reuter kam ihr in den Sinn. Sie dachte an ihren verzweifelten Auftritt. An die Angst, die sie ausstehen musste.
Stefanie hatte sie gebeten, nicht zur Polizei zu gehen. Indirekt. Aber sie hatte sie nicht wirklich gebeten, die Sache ganz und gar für sich zu behalten.
Anna hatte Angst um ihren Mann. Und sie hatte es verdient, ruhig zu schlafen. So ruhig es eben ging unter den gegebenen Umständen.
Sie zog ihr Handy aus der Tasche. Obwohl ihr vage bewusst war, dass die Idee vielleicht nüchterner Betrachtung nicht standgehalten hätte, wählte sie die Nummer. Sie würde Anna einfach sagen, dass er in Sicherheit war. Dass er plante, sich zu stellen. Dass alles gut werden würde. Das wenigstens konnte sie für Anna Reuter tun.
Norbert saß am Küchentisch, vor sich eine Flasche Wein, die bereits halb geleert war. Er wirkte dennoch völlig nüchtern, strahlte eine zielstrebige Entschlossenheit aus, die fremd wirkte. Etwas in seinem Blick, seiner Haltung hatte sich verändert, etwas, worauf sie den Finger nicht legen konnte.
Stefanie setzte sich ihm gegenüber. »Sie wird nicht zur Polizei gehen. Noch nicht. Aber du musst dich stellen, Norbert. Das hier hat keinen Sinn, du machst alles nur noch schlimmer.«
Er nickte. Keine Spur von Panik oder Protest. »Morgen früh«, sagte er.
Stefanie stutzte. So einfach hatte sie sich die Sache nicht vorgestellt. »Ich
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