Schneesturm und Mandelduft
Der Sturm hatte eher noch zugenommen als nachgelassen, und die Aussicht, unter diesen Umständen noch länger eingesperrt zu bleiben, zeichnete sich grau und düster auf allen Gesichtern ab. Martin blickte sich misstrauisch im Raum um. Wer aus der Runde war im ersten Stock vor ihm geflohen? Doch niemand wirkte unruhig oder auch nur im Geringsten außer Atem.
»Soooo, geruhen wir aufzustehen?«, polterte Harald. »Es ist schön zu sehen, wozu meine Steuergelder verwendet werden. Die Polizei schläft, während ein Mörder frei herumläuft.«
Er lachte dröhnend. Britten verpasste ihm einen harten Stoß mit dem Ellbogen. Sie fand seinen Scherz offenbar geschmacklos.
»Ich möchte die Verhöre jetzt fortsetzen.« Martin hörte, wie mürrisch er klang, und fügte daher in sanfterem Ton hinzu: »Bernard, wären Sie so freundlich …«
Bernard ließ sich nicht zu einer Antwort herab. Er hob nur lässig eine Augenbraue, stellte sein Glas ab und folgte Martin.
»Waren Sie soeben im ersten Stock?«, fragte Martin und musterte den Mann eingehend, der auf der anderen Seite des Schreibtisches Platz genommen hatte.
»Im ersten Stock? Nein, ich war unten in der Bibliothek. Haben Sie das nicht gesehen?«, erwiderte Bernard und schlug die Beine auf seine charakteristische, irritierende Weise übereinander. Martin war nicht sicher, ob er ihm glauben sollte, daher fragte er: »Haben Sie vorhin jemanden aus dem ersten Stock herunterkommen sehen?«
»Hmmm, nein. Alle waren in der Bibliothek. Ich dachte, wir reden hier über gestern Abend. Darüber, wer meinen lieben Großvater umgebracht hat, der jetzt in der Kühlkammer liegt … Nicht darüber, wer gerade irgendwo im Haus herumgerannt ist.«
»Dann lassen Sie uns über den gestrigen Abend sprechen. Ihr Großvater hat beim Essen recht harte Dinge zu Ihnen gesagt. Was meinte er mit seinen ›Quellen‹, und was hatten diese über das Unternehmen berichtet, bei dem Sie offenbar Teilhaber sind?«
Bernard entfernte einige unsichtbare Fussel von seiner gut gebügelten Hose. Dann sah er Martin gerade in die Augen. Dabei umspielte ein Lächeln seine Mundwinkel. In seinem Auftreten und Verhalten spiegelte sich tiefe Verachtung für die Menschen, denen er begegnete. Offenbar, glaubte Martin, fühlte sich Bernard allen anderen überlegen.
»Tja, Sie haben ja schon gestern beim Essen gehört, dass mir schleierhaft ist, was mein Großvater gemeint haben könnte. Meinem Unternehmen geht es bestens, wir stehen kurz vor dem Börsengang, und was die Quellen meines Großvaters anbelangt … Lassen Sie es mich so sagen: Der Alte war nicht mehr voll im Geschehen. All seine sogenannten ›Quellen‹ sind ehemalige führende Mitarbeiter, die keinen Einfluss mehr haben und deshalb bösartige Gerüchte verbreiten.«
»Ich hatte nicht den Eindruck, dass Ihr Großvater keinen Einfluss mehr hatte. Eher im Gegenteil.«
Bernard schnaubte. Er zupfte noch ein paar unsichtbare Fusseln weg, bevor er antwortete:
»Ruben setzte meinen Vater und Harald auf zwei der wichtigsten Posten in seinem Unternehmen. Halten Sie das für eine gesunde, intelligente und sinnvolle Entscheidung?«
Martin verstand, was er meinte. Vielleicht hatte der alte Mann wirklich nicht mehr gewusst, was er tat.
»In der Familie Liljecrona scheint es üblich gewesen zu sein, den Großvater um verschiedene … Finanzspritzen … zu bitten. Haben auch Sie die Familienkasse auf diese Weise genutzt?«
»Und wenn schon? Früher oder später hätten wir das Geld ja eh geerbt. Da war es doch besser, der Alte konnte uns noch zu seinen Lebzeiten helfen, damit er uns danke sagen hörte. Und sah, wie wir erfolgreich waren …«
»Wie viel?«, fragte Martin kühl.
»Wie viel was?« Bernard tat, als verstünde er die Frage nicht.
»Wie viel hat Ruben in Ihr Unternehmen gepumpt?«
Einen Moment lang schien Bernard die Fassung zu verlieren. Er schwieg und überlegte. Dann sagte er:
»Zwanzig Millionen Kronen.«
»Zwanzig Millionen?«, wiederholte Martin skeptisch. Eine schwindelerregend hohe Summe.
»Er sollte es ja wieder zurückkriegen, mit Zins und Zinseszins. Sobald der Börsengang durch war.«
»Was war dann gestern Abend das Problem? Es klang, als hätte Ihr Großvater gewisse Bedenken, was seine Investition anging.«
»Wie gesagt, ich weiß nicht, was er gemeint hat! In ein paar Wochen erfolgt die Börsennotierung, und dann hätte er seine investierten zwanzig Millionen plus eine hübsche Stange Geld erhalten!« Die wohlbeherrschte
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