Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schnittstellen

Schnittstellen

Titel: Schnittstellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Abens
Vom Netzwerk:
wir nun zwischen einem Haufen schwadronierender Schüler, Schülerinnen und Eltern. Wir sitzen in der Mensa der Schule, die zum Anmeldungsraum für die Neuzugänge der Oberstufe umfunktioniert worden ist. Direktor, Oberstufenleiter und Vertrauenslehrerin heißen die Neuen und ihre Eltern willkommen. Dann kommt eine Menge Information für die Fächerkombinationen, die von den Jugendlichen gewählt werden müssen. Karl und ich machen nicht viel. Wir sitzen nur da und staunen, dass wir einfach nur wieder Eltern einer Schülerin sind. Meike sitzt da und nimmt jede Information konzentriert auf und amüsiert sich mit uns, wenn der Oberstufenleiter, der wie ein zerstreuter Professor wirkt, etwas verdrehte Anweisungen gibt. Nach der Begrüßung und den informativen Vorträgen füllen die Schüler ihre Wahlzettel aus. Dann stellen sie sich in die für sie zuständigen Warteschlangen, um ihre Unterlagen abzugeben und sich in Fragen beraten zu lassen, die sich bei der Fächerwahl möglicherweise für sie aufgetan haben. Ich muss an mich halten, weil Meike sich aus irgendwelchen Gründen immer wieder an den Schluss der Wartenden schieben lässt. Schließlich stehe ich auf. Karl schüttelt nur den Kopf. »Mutter Kontrolletti«, meint er und lässt mich ziehen.
    Meike
    Ich bin etwas aufgeregt, auch wenn heute nur die Anmeldung stattfindet. Meine Eltern sind beide mit zur Schule gekommen. Ich dachte erst, das wäre überflüssig, schließlich möchte ich mich für die Oberstufe und nicht für die Grundschule anmelden, aber es sind viele Eltern hier. Ich hatte schon ganz vergessen, wie es ist, wenn man Informationen bekommt, viele Informationen, die man sich merken und verarbeiten muss. Es ist angenehm, mal wieder etwas erzählt zu bekommen und nicht nur gedankenlos und hirnhohl irgendwo herumzusitzen.
    Nach den langen Reden müssen wir unsere Formulare ausfüllen und abgeben. Ich möchte mich außerdem noch vergewissern, ob ich nun tatsächlich Physik anstelle von Französisch nehmen muss, das passt mir eigentlich nicht, mir liegt Physik nicht, und daher mag ich das Fach nicht besonders. Egal, falls es wirklich so sein sollte, werde ich es auch hinbekommen. Ich habe mir vorgenommen, einfach alles durchzuziehen, was sein muss, nicht nur, weil ich es muss, sondern weil ich mich wirklich dafür entschieden habe. Ich werde die Schule so gut machen, wie ich kann, danach bin ich dann frei oder zumindest freier. Die Schule ist und bleibt eben Mittel zum Zweck, aber das muss man erst mal realisieren. Die Schlange, an die ich mich anstellen muss, ist ganz schön lang, und immer wieder drängeln sich irgendwelche anderen Schüler vor … Was soll’s, ich lass die einfach vor, wenn sie keine Zeit haben, meinetwegen. Ich habe alle Zeit der Welt, ich werde mich nicht beschweren, das führt nur zu negativer Aufmerksamkeit. Ich werde mir selbst einfach so wenig Hindernisse wie möglich in den Weg stellen und mein Ziel nicht aus den Augen verlieren. Mit einem Ziel vor Augen ist es viel leichter, das Gedränge an den Seiten zu ignorieren. Meine Mutter findet es scheinbar nicht so toll, dass ich die ganze Drängelei einfach so über mich ergehen lasse, sie stürmt aufgebracht zu mir herüber und fragt: »Was ist los? Warum gibst du dein Blatt nicht ab?«
    »Ich muss noch etwas fragen«, weiche ich aus.
    »Aber das tun die anderen doch auch. Du stehst ja gleich als Allerletzte hier.«
    »Ist das schlimm?« Ich blicke meiner Mutter fest in die Augen.
    »Schlimm nicht, aber langsam wird es langweilig zu sitzen und zu warten, vor allem, wo du doch eben als eine der Ersten vorn warst.«
    »Wollt ihr schon rausgehen?«
    »Ist das in Ordnung für dich?«
    »Na, klar.«
    Ich bekomme das geregelt, auf meine Art.
    Meikes Tagebuch
    Liebes Leben
    Gib mir Mut, gib mir Verstand.
    Gib mir Weisheit an die Hand.
    Lass mich die wirren Pfade lichten,
    Lass mich die großen Schlachten schlichten,
    mach mein Urteil recht und klar,
    meine Stimme stark und wahr.
    Gib mir Halt, gib mir Vertrauen,
    gib mir Kraft nach vorn zu schauen.
    Lass mich Verständnis in mir finden,
    lass mich Unmut überwinden.
    Mach meinen Willen gut und hart,
    sodass er mir mein Herz bewahrt.
    Denn dieses wird nicht lang bestehen,
    eines Tages muss es gehen,
    doch bis dieser Zeitpunkt eingekehrt,
    will es leben, unbeschwert.

ANHANG
    ÜBER SELBSTVERLETZUNGEN
BEI JUGENDLICHEN
    Wir mutmaßen, dass Selbstverletzer für gewöhnlich aggressive Gefühle und Impulse ablehnen. Schaffen sie es nicht, diese

Weitere Kostenlose Bücher