Schöne Sauerei: Ein Schweinekrimi (German Edition)
bewegten sich, als mahlten sie an irgendwelchen unaussprechlichen Worten. Hatte Jan mit Dörthe Probleme – so ähnlich wie Kim mit Lunke? Man mochte sich, aber wusste nicht genau, wie weit dieses Mögen ging. Dörthe war mit ihren roten Haaren nach menschlichen Maßstäben eine sehr schöne Frau, und sie bekam ein Kind, das keinen Vater hatte, jedenfalls zeigte er sich nie, aber daran konnte Kim nichts Ungewöhnliches finden. Von ihrem Vater hatte ihre Mutter Paula auch nie gesprochen, obwohl Kim oft nach ihm gefragt hatte.
Jan zog wieder an seiner Zigarette, die in der Dämmerung aufleuchtete. »Ich werde«, sagte er plötzlich, als habe er einen Entschluss gefasst, »meine Klage am Kreuz vorbringen, wenn alles still ist, wenn alle gebannt lauschen. Mit lauter Stimme werde ich seinen Namen rufen und …«
Abrupt verstummte Jan. Kim glaubte, zuvor ein seltsames Sirren gehört zu haben, das ihn möglicherweise aufgeschreckt hatte, dann sah sie, wie der große stattliche Jan in den Knien einknickte, er hielt sich am Gatter fest und blickte sich erstaunt um.
Kim trabte näher heran. War Jan plötzlich schlecht geworden? Ungelenk richtete er sich wieder auf und tastete sich über den Rücken, zerrte an seinem Hemd und stöhnte.
»Mein Gott!« Er zog einen länglichen Gegenstand aus seinem Rücken und starrte ihn voller Unverständnis an. »Ein Pfeil – wieso?« Seine Knie gaben wieder nach, so dass er sich auch mit der zweiten Hand festhalten musste und den Pfeil fallen ließ. Er sah eindeutig nicht mehr gesund aus, sondern bleich und krank.
Kim grunzte auf. Ein Fall für Dörthe – wo war sie? Oben in einem Fenster brannte Licht, aber sonst war das Haus dunkel.
Jan griff mit seiner zitternden linken Hand in seine Hosentasche und holte einen silberfarbenen Gegenstand hervor, den Kim bereits kannte. Jeder Mensch hatte so ein Gerät, ein Telefon, in das er gerne und laut hineinsprach.
Doch bevor Jan etwas in das Telefon sagen konnte, sank er auf die Knie. Er fluchte, und plötzlich, als hätte sein Fluch sie angelockt, standen zwei Menschen vor ihm: zwei mittelgroße Gestalten, deren Gesichter Kim nicht erkennen konnte, weil sie unter einer schwarzen Mütze mit Sehschlitzen verborgen lagen.
»Hallo, Jan«, sagte eine der beiden Gestalten, ein Mann, der irgendwie nach Garten und Kräutern roch. »Kennst du mich noch?«
Jan blickte auf, seine Augen waren geweitet, er nickte oder versuchte es zumindest, doch irgendwie gehorchten ihm seine Muskeln nicht mehr.
»Die Betäubung wirkt«, erklärte die zweite Stimme, eine Frau. »Gleich gehen bei ihm die Lichter aus. Er wird uns keinen Ärger mehr machen.«
Der Mann nickte, dann holte er aus und verpasste Jan einen harten Schlag mit der flachen Hand ins Gesicht. Jan fiel zu Boden und rührte sich nicht mehr.
Kim quiekte. Hier ging es eindeutig nicht mit rechten Dingen zu. Erst quälte man Jan am Kreuz, und nun wurde er niedergeschlagen.
»Schnell!« Die Frau sprang auf und holte einen Karren, der ein Stück weiter auf dem Hof stand. Darin hatten die Menschen am Nachmittag Getränke und andere Dinge transportiert. Offenbar hatten sie den Karren dann vergessen. Oder die beiden vermummten Gestalten hatten ihn irgendwann am Abend zurückgebracht.
Sie packten den betäubten Jan und wuchteten ihn auf den Karren. Hastig schoben sie ihn in Richtung Straße. Die Räder verursachten auf dem Asphalt einen ziemlichen Lärm, aber Dörthe ließ sich trotzdem nicht blicken. Mit dem Kind im Bauch war der Tag wohl zu anstrengend gewesen.
Unvermittelt hörte Kim Schritte hinter sich. Voller Schrecken zuckte sie herum. Eine neue Gefahr? Nein, der kleine Deng schlenderte über die Wiese. Er hatte einen Beutel über der Schulter, in dem er silberfarbene Döschen mit seinem Essen herumtrug und das kleine, schwarze Buch, in dem er oft las, wenn er sie gefüttert und den Stall ausgemistet hatte. Im Vorbeigehen strich er Kim über den Kopf. Hatte er auch gesehen, was mit dem armen Jan passiert war?
Deng öffnete das Gatter, dann hielt er inne und bückte sich. Als er sich wieder aufrichtete, hatte er den Pfeil in der Hand, den Jan sich aus dem Rücken gezogen hatte. Nachdenklich starrte er ihn an.
»Drei Dinge kann man nicht mehr ändern«, sprach Deng vor sich hin. »Das gesagte Wort, den abgeschossenen Pfeil und die verpasste Gelegenheit.« Mit einem lächelnden Blick auf Kim öffnete er seinen Beutel und legte den Pfeil hinein.
Dann ging er gemächlich in Richtung
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