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Ashford Park

Ashford Park

Titel: Ashford Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Willig
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    Prolog
Kenia, 1926
    A ddies Handschuhe waren von Schweiß und rotem Staub beschmutzt.
    Und nicht nur die Handschuhe. Sie schnitt ein Gesicht, als sie an sich hinunterschaute. Die zarte Perlmuttfarbe ihres Kostüms hatte sich in ein Rostbraun und Rußschwarz verwandelt. Selbst im spärlichen Licht, das das dichte Mückengitter an den Fenstern einließ, war zu erkennen, dass nichts mehr zu retten war. Das Ensemble war in London von bestechender Eleganz gewesen, hatte sich jedoch für die Reise quer durch Kenia als schlechte Wahl erwiesen.
    Sie kam sich wie eine Idiotin vor. Was hatte sie sich nur gedacht? Das edle Stück hatte mehr gekostet, als sie in einem ganzen Monat verdiente. Es war eine sträfliche Extravaganz, zumal sie sich dieser Tage eher praktisch als modisch anzog. Einen ganzen Nachmittag lang hatte sie die Oxford Street hinauf und hinunter die Geschäfte abgeklappert und ein Kleid nach dem anderen anprobiert. Das eine war zu nichtssagend, das andere zu teuer, bis sie endlich das richtige gefunden hatte. Es kostete ein bisschen mehr, als sie sich eigentlich leisten konnte, doch mit Wohlwollen betrachtet, hätte es sogar als Pariser Modell durchgehen können und nicht nur als zweite Wahl.
    In ihrer kleinen Wohnung hatte sie vor dem Spiegel mit der komischen Wellenlinie in der Mitte wie ein Pfau posiert. Sie drehte sich hin und her, um die Gesamtwirkung zu genießen und sich von ihrer Phantasie hundert verlockende Bilder vorgaukeln zu lassen. Wie Bea am Bahnhof stand, um sie abzuholen, älter und gesetzter, das schimmernde goldblonde Haar von der heißen tropischen Sonne strohig geworden, die Figur weicher durch die Schwangerschaften. Wenn sie Addie in ihrem schicken neuen Kostüm mit der schicken neuen Frisur aus dem Zug steigen sah, würde sie erst einmal sprachlos sein vor Überraschung. Dann würde sie sie von links nach rechts und von rechts nach links drehen und die neue weltstädtische Eleganz, das gepflegte Haar, die ungewohnt gezupften Brauen bewundern.
    Du bist erwachsen geworden, würde sie sagen, und mit dem feinsten Hauch eines spöttischen Lächelns, wie man es zur Cocktailstunde im Ritz sah, würde Addie antworten: So etwas soll vorkommen.
    Dann würde hinter ihr jemand ‹Addie?› sagen, und sie würde sich umdrehen und die staunende Bewunderung in Fredericks Gesicht sehen, wenn er in diesem Moment zum ersten Mal erkannte, was er in London zurückgelassen hatte.
    Schweiß rann zwischen ihren Brüsten hinab und durchfeuchtete ihr Kleid. Sie brauchte gar nicht noch einmal an sich hinunterzusehen; sie wusste, dass der Stoff voller Flecken war, die sich beim Waschen höchstens gelb färben würden.
    Da half nur noch ein schiefes Lächeln. Sie hatte so inbrünstig – und ein wenig gemein – gehofft, dass sie wenigstens einmal besser abschneiden und dass dieser bescheidene Abklatsch einer Couturekreation den Künsten der Schneider Nairobis den Rang ablaufen würde. Stattdessen stand sie nun hier wie ein begossener Pudel, fern von allem, was vertraut und heimisch war, nach wochenlanger Schiffsfahrt und tagelanger Zuckelei quer durch die afrikanische Savanne. Einen Monat und eine Woche war sie unterwegs gewesen – und warum das Ganze?
    Genau die Frage hatte David ihr vor ihrer Abreise gestellt. Warum?
    Es war eine vernünftige und logische Frage, auf die sie im ersten Moment am liebsten aufbrausend geantwortet hätte, das gehe ihn gar nichts an. Aber es ging ihn natürlich an, und das wusste sie auch. Der Ring, den er ihr geschenkt hatte, hing an einem Kettchen um ihren Hals, noch nicht Zeichen einer Verlobung, aber doch einer Art Vor-Verlobung.
Steck ihn mir an, wenn ich wieder da bin
, hatte sie gesagt.
Dann können wir sie bekanntgeben
.
    Aber warum sollen wir warten?
, hatte er gefragt.
Warum fährst du überhaupt?
    Weil
 … hatte sie begonnen und gestockt. Wie sollte sie es ihm erklären, wenn sie selbst nicht genau wusste, warum? Sie murmelte etwas von Lieblingscousine, von alter Freundschaft und dass Bea sie brauche und sie ihr etwas schulde.
    Und deswegen musst du bis nach Afrika reisen?
Er zog eine Augenbraue hoch auf jene leicht spöttische Art, die seine Studenten fürchteten, wenn sie sich durch Erörterungen von Platos
Politeia
oder Aristoteles’
Politik
stotterten.
    Vielleicht will ich reisen, weil ich reisen will,
sagte sie scharf. Habe er das einmal bedacht? Dass sie den Wunsch haben könnte, wenigstens einmal in ihrem Leben über die Grenzen ihrer

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