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Schrei der Nachtigall

Schrei der Nachtigall

Titel: Schrei der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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durch Sturz aus mittlerer Höhe attestiert, das einzige, was gemacht wurde, war eine Blutprobe etwa acht Stunden nach Todeseintritt, und da hatte er immer noch über ein Promille. Also, vergessen wir die Akte und hören uns mal bei der Familie des Verblichenen um. Adresse haben wir, Telefonnummer auch … Gut, dann war’s das schon. Wir lassen dich wissen, was wir rausgefunden haben. Ach ja, wie hat sich denn ihre Stimme angehört?«
    »Was meinst du?«
    »Na ja, klang sie aufgeregt, nervös oder eher ruhig?«
    »Bisschen zittrig, aber das will nichts weiter bedeuten.«
    »Und was schätzt du, wie alt sie war?«
    »Warst du schon jemals in der Lage, anhand einer Stimme das Alter einer Person zu bestimmen? Wenigstens annähernd? Ich nicht. Aber trotzdem, wenn du mich so fragst, sie klang ziemlich jung.«
    »Okay, wir hauen ab.«
    »Macht’s gut, ich hab ’ne Menge zu tun, meine Leute sind auch alle im Einsatz«, sagte Heinzer, der sich bereits die dritte Zigarette ansteckte, seit Brandt und Eberl vor gut zehn Minuten in sein Büro gekommen waren. Heinzer tat ihm leid, er war ein stets korrekter Beamter gewesen, dessen Leben nun völlig aus den Fugen geraten war. Am besten, dachte er, wäre es, er würde in den Vorruhestand gehen. Aber Heinzer war trotz aller Trauer, die ihm ins Gesicht gemeißelt war, zu stolz, um diesen Antrag zu stellen. Was sollte er auch zu Hause. Da waren keine Kinder mehr, die sich um ihn kümmern würden, sie lebten weit weg und hatten längst eigene Familien. Also würde er, sofern sein Körper das noch mitmachte, durchhalten, bis er dreiundsechzig war, und dann, wenn nicht ein Wunder geschah, noch mehr trinken und trinken und trinken.
    »Das ist ja die reinste Räucherkammer«, sagte Eberl auf dem Weg zum Auto. »Ich frag mich, wie man so was auf lange Zeit aushält. Ich wär schon längst unter der Erde.«
    »Er ist einfach fertig mit der Welt. Auf zu den Wrotzecks.«
    »Weißt du denn, wo das ist?«
    »Denk schon«, sagte Brandt nur und startete den Motor.

Mittwoch, 10.45 Uhr
    Ziemlich großer Hof«, bemerkte Eberl, als sie vor dem Haus hielten, das sich etwa fünfzig Meter von der Straße entfernt befand.
    »Das ist kein Hof, das ist schon eher ein Gut. Da hinten die Kuhweide, die Pferdekoppel und … Scheint alles dazuzugehören, so weit das Auge reicht. Fast wie im Wilden Westen«, bemerkte Brandt grinsend.
    Ein Mann in einem blauen Arbeitsanzug kam ihnen entgegen und sagte: »Wo soll’s hingehen?«
    »Zu Frau Wrotzeck«, antwortete Brandt, ohne sich und Eberl vorzustellen. »Das ist doch der Wrotzeck-Hof?«
    »Schon. Müsste daheim sein, ihr Wagen steht jedenfalls hier.«
    Ziemlich wortkarg, dachte Brandt, bedankte sich bei dem Mann, ging mit Eberl zur Haustür und drückte auf die Klingel. Kurz darauf erschien eine etwa einsfünfundsechzig große Frau an der Tür. Sie hatte kurze braune Haare und grüne Augen, Brandt schätzte sie auf Anfang bis Mitte vierzig. Sie musterte die Beamten kritisch und distanziert. Auffällig waren die tiefen Falten zwischen Nase und Mund, die tief hängenden Mundwinkel und die fahl wirkende Haut, obgleich sie geschminkt war.
    »Ja, bitte?«, fragte sie.
    »Frau Wrotzeck?«
    »Ja.«
    Brandt hielt seinen Ausweis hoch, stellte sich und Eberl vor und sagte dann: »Wir würden gerne kurz mit Ihnen sprechen.«
    »Warum? Was habe ich mit der Polizei zu tun?«
    »Nicht zwischen Tür und Angel. Dürfen wir reinkommen?«
    »Bitte«, sagte Liane Wrotzeck und ließ die Beamten eintreten. Sie ging vor ihnen in das geräumige Wohnzimmer und deutete auf eine Sitzgruppe. Brandt und Eberl nahmen Platz, während sie stehenblieb, die Arme über der Brust verschränkt. »Um was geht es?«
    »Das ist nicht so einfach zu erklären, Frau Wrotzeck. Möchten Sie sich nicht lieber hinsetzen?«
    Sie hob leicht die Schultern und setzte sich den Beamten gegenüber auf einen Stuhl, der zu einem wuchtigen dunklen und alten Sekretär gehörte, der wahrscheinlich über Generationen weitervererbt worden war und auf dem eine Vase mit einer Rose darin stand.
    »Es geht um den Tod Ihres Mannes.« Brandt beobachtete die Reaktion in dem Gesicht von Liane Wrotzeck, die ihn verwundert anblickte.
    »Wieso um den Tod meines Mannes? Ich verstehe nicht ganz, was Sie da von mir noch wollen?«
    »Ich will auch nicht lange um den heißen Brei herumreden. Unsere Kollegen in Hanau haben einen Anruf erhalten, laut dem Ihr Mann nicht durch einen Unfall, sondern eines gewaltsamen Todes gestorben sein

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