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Schrei der Nachtigall

Schrei der Nachtigall

Titel: Schrei der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Prolog
    Allegra Wrotzeck und Johannes Köhler waren seit dem frühen Freitagabend bei ihren Freunden Ferdi und Anne gewesen, sie hatten sich
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auf DVD angeschaut und sich anschließend noch unterhalten. Die beiden jungen Männer hatten Cola getrunken, während Allegra und Anne sich eine Kanne Tee gemacht hatten. Irgendwann, während die Männer in ein Gespräch über Fußball verwickelt waren, hatte Anne sich mit ihrer Freundin auf den Balkon gestellt und leise und mit einem Augenzwinkern zu ihr gesagt: »Ihr benehmt euch ja schon fast wie ein altes Ehepaar. Wollt ihr nicht endlich mal heiraten? Ich meine, das wird ja immer ernster mit euch.«
    »Ich weiß nicht, was du unter immer ernster verstehst«, entgegnete Allegra ausweichend, »doch wenn du denkst, dass ich …«
    »Ich denke gar nichts, ich beobachte euch nur. Aber ganz ehrlich, ich bin zwar auch schon ’ne Weile mit Ferdi zusammen, aber so wie ihr, das könnt ich nicht. Fühlst du dich nicht zu jung für so was Festes?«
    »Keine Ahnung, die Zeit wird es zeigen. Aber bitte, ich möchte heute nicht darüber reden, mir ist nicht danach. Ein andermal, okay?« Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. »Du meine Güte, es ist ja schon so spät. Ich muss gehen, ich will nicht schon wieder einen Anschiss kriegen.«
    »Herrje, du bist achtzehn und kannst so lange wegbleiben, wie du willst. Mein Vater macht jedenfalls keinenStress, wenn ich erst morgens um vier nach Hause komme oder bei Ferdi übernachte.«
    »Du kennst doch meinen. Ist aber auch egal …«
    »Find ich nicht. Du lässt dich von ihm rumkommandieren und dir alles verbieten. Ich krieg die Krise, wenn ich das hör. Manchmal möchte ich ihm am liebsten«, sie sah Allegra plötzlich entschuldigend an, »na ja, du weißt schon, was.«
    »Und was, meinst du, soll ich dagegen tun? Ich wohne eben noch zu Hause. Und außerdem, wieso kommst du ausgerechnet heute damit?«, erwiderte sie ungewohnt gereizt.
    »Weiß nicht, einfach so. Vielleicht, weil du meine Freundin bist und ich stinksauer auf deinen alten Herrn bin.«
    »Er ist mein Vater. Aber wenn du willst, können wir ja ein andermal drüber reden.« Sie gingen wieder in das warme Zimmer. Allegra tippte mit dem Zeigefinger auf ihre Armbanduhr. »Schatz, können wir?«
    »Sofort, ich trink nur schnell aus.« Johannes, der im vergangenen Herbst sein Medizinstudium begonnen hatte, setzte das Glas an, wischte sich nach dem letzten Zug über den Mund und stand auf. »Tja, dann, wir sehen uns«, sagte er, legte einen Arm um Allegra und begab sich mit ihr zu seinem Ford KA, den sein Vater ihm im vergangenen Jahr zum bestandenen Abitur geschenkt hatte. Allegra hatte noch einen knappen Monat, bis auch sie ihr Abschlusszeugnis in der Tasche haben würde. Sie kannte bereits ihre schriftlichen Noten und war einigermaßen zufrieden. Jetzt hing es nur noch von den mündlichen Prüfungen ab, ob sieihren bisherigen Schnitt von 1,6 würde halten können. Doch sie war zuversichtlich, auch wenn die Abinote für ihre Zukunft eher zweitrangig war, denn sie wollte Musik studieren und eine Gesangsausbildung machen, was ihrem Vater gründlich gegen den Strich ging. Für ihn gehörte eine Frau ins Haus und hinter den Herd, hatte Kinder zur Welt zu bringen und sich liebevoll um ihren Mann zu kümmern. Aber das war nicht das, was Allegra im Sinn hatte, heiraten und Kinder schon, irgendwann, nur erst würde sie ihren Traum verwirklichen und das tun, was ihre Musiklehrerin und der Leiter des Kirchenchors, in dem sie Mitglied war, ihr angeraten hatten, nämlich das Beste aus ihrem Talent zu machen.
    Allegra war eins sechzig groß, schlank und sehr hübsch. Ihr volles braunes Haar fiel, wenn sie es nicht zu einem Zopf geflochten hatte, bis weit über ihre Schultern, die smaragdgrünen Augen schienen alles um sie herum sehr genau wahrzunehmen, geradezu aufzusaugen, ihr Mund war wie gemalt, und die Finger wirkten fast fragil, als würden sie zerbrechen, wenn sie etwas Schweres anhoben.
    Doch trotz ihrer äußeren Zartheit war Allegra stark. Vor allem hatte sie einen ungebrochenen Willen, mit dem sie sich ein ums andere Mal gegen den scheinbar übermächtigen und überaus dominanten und keinen Widerspruch duldenden Vater zur Wehr setzte. Und sie war beliebt, es gab kaum jemanden, der sie nicht mochte, denn sie hatte eine unverfälscht natürliche Art, versuchte jeden liebenswürdig und vor allem gleich zu behandeln, obwohl die bisherigen achtzehn Jahre für sie selbst nicht gerade

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