Schsch!: Ein Winterthriller (German Edition)
da wie eine kleine Dame.«
»Sie hat sich zusammengekauert«, wandte Kate ein. »Wie kommen Sie darauf?«
»Schauen Sie sich die Füße an. Sie sind leicht seitlich gekippt und über den Knöcheln gekreuzt. Wenn sie aufrecht säße, würde sie uns vermutlich Tee anbieten. Was hatte sie an, als Sie sie gefunden haben?«
»Jeans. Ein Designerlabel. Nagelneu. Genau wie das Kaschmir-Twinset.« Kate schüttelte den Kopf. »Wer zieht denn seiner Sechsjährigen schon ein Twinset an?«
»Eine Mutter, die dem Kind auch beibringt, wie man stilecht Tee serviert«, bemerkte Daphne trocken. Diesen Muttertyp kannte sie nur allzu gut. Ihre extrem reiche Schwiegermutter war entschlossen gewesen, das Landei Daphne in eine »anständige Dame« zu verwandeln, die der Familie keine Schande machte. »Die Mutter meines Ex hat es mir auch beizubringen versucht. Bis heute kriege ich beim Anblick eines silbernen Teeservice nervöse Zuckungen. Und weiter?«
»Prada-Stiefel. Ich habe bei Saks nach dem Preis gefragt. Fast vierhundert Kröten teuer.«
Joseph deutete auf einen Karton auf dem Tisch hinter ihnen. »Da sind die Sachen, die sie anhatte.«
»Wow.« Daphne sah sich die Etiketten der Hersteller an. Jedes Teil war in eine Beweistüte eingeschweißt. »Für das Twinset allein würde man zwei von Ihren FBIler-Kostümen kriegen, Kate. Und die Stiefel?« Sie hielt sie ins Licht, das durch den Einwegspiegel drang. »Mit Webpelz verbrämt, Wildlederfransen. Und … Sand?« An den Fransen klebten Sandkörner. »Für einen Strandspaziergang nicht gerade praktisch, das Schuhwerk. Wobei mir der Strandspaziergang als solcher bei so einem Wetter schon merkwürdig vorkommt. Hat das Labor die Herkunft des Sands bestimmen können?«
»Hab ich’s nicht gesagt? Das fällt ihr auf«, sagte Joseph selbstzufrieden.
»Jaja«, brummelte Kate. »Sie hatten recht, ich nicht. Ja, Daphne, das Labor hat den Sand bereits bestimmt. Er stammt von der Ostküste, was bedeutet, dass sie von Delaware bis Virginia überall gewesen sein kann. Eine weitere Eingrenzung wird Wochen dauern. Sehen Sie sich mal den Mantel an.«
Daphne holte das Kleidungsstück aus dem Karton. Auf den ersten Blick konnte sie nur Blut entdecken, aber als sie die Beweistüte umdrehte und die makellose Rückseite sah, riss sie verdattert die Augen auf.
Lieber Himmel! Der Mantel war schneeweiß und kein … Kunstpelz. »Ich müsste ihn anfassen, um sicher zu sein, aber das sieht nach echtem Fuchs aus. Wir reden hier über richtig viel Geld.«
»Du hast recht«, sagte Joseph. »Es ist echter Fuchs. Das Labor hat es überprüft. Wir warten allerdings noch auf nähere Angaben, womit genau wir es zu tun haben und woher der Pelz kommt.«
»Ich habe mich schon ein bisschen umgehört«, sagte Kate. »Die Kaufhäuser führen so etwas jedenfalls nicht.«
»Das wundert mich nicht. Sie können es extra bestellen, aber nur ein exklusiver Kürschner führt solche Mäntel. Wer so viel Geld dafür ausgibt, bestellt nichts unbesehen. Ein solcher Mantel wird anprobiert und angepasst. Wobei man mit allem Tamtam bedient wird. Kaviar, Champagner und so weiter.«
Kate schüttelte den Kopf. »Für ein kleines Kind?«
»Champagner wohl nicht. Den kriegt dann die Mutter.«
»Haben Sie auch so einen Pelz?«, fragte Kate zögernd.
»Nein. Die Mutter vom meinem Ex hat allerdings einen ganzen Schrank voll. Manchmal hat sie mich mitgenommen, wenn sie einen neuen Nerz kaufen ging. Ich sollte lernen, anspruchsvoll und kritisch zu werden. Eine Dame dürfe schließlich niemals in einem minderwertigen Pelz erwischt werden.« Daphne legte den Mantel in den Karton zurück. »Ich würde das Bild der Kleinen in den Salons der Pelzhändler herumzeigen; vielleicht erinnert sich jemand an sie. Einen solchen Pelz findet man vielleicht in Washington, aber in New York sind die Chancen größer. Suchen Sie nach einem Geschäft, das Prominenz und sehr, sehr Reiche ausstattet.«
»Ich fange direkt an«, sagte Kate. »Danke.«
»Tja, nun. Wäre doch gelacht, wenn die ganzen Stillektionen nicht doch noch einen Nutzen gehabt haben sollten.« Daphne wandte sich wieder zum Fenster um, hinter dem Angel noch genauso dasaß wie zuvor. Inzwischen wirkte auch die Sozialarbeiterin entmutigt. »Kann ich mit Angel reden?«
»Ich habe gehofft, dass du das fragst«, sagte Joseph.
Montag, 23. Dezember, 12.50 Uhr
»Sie hatten recht«, sagte Kate, als sie und Joseph im Beobachtungsraum allein waren. »Sie bei der Kleinen um Hilfe zu
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