Schusslinie
die einzige, die zur Verfügung stand, um die
Spur auf Anna zu lenken.«
»Und Anna musste sterben, weil sie nach Nullenbruchs
Verschwinden die Fronten gewechselt hat?«, vergewisserte sich Bruhn eher rhetorisch.
Denn er hatte mit Häberle die Zusammenhänge mehrfach durchgesprochen.
»Ja, wie ich doch immer gesagt hab. Sie entstammt,
wie wir wissen, dem Dunstkreis des Prostituierten-Milieus, dem dieser abgetauchte
Jano zuzurechnen ist«, erwiderte der Kommissar deshalb leicht ungeduldig. »Sie hat
dafür gesorgt, dass die heiß begehrten Akten in die Hände der Gegenseite gerieten
und im Kanzleramt landeten. Sie sollten der Erpressung den nötigen Nachdruck verleihen.«
Häberle überlegte. »Meckenbach war natürlich von Anfang an klar, dass nur Anna diesen
Aktenkoffer haben konnte. Und wahrscheinlich hat sie trotz Mahnungen und vielleicht
Drohungen die Akten nicht rausgerückt. Sie wurde ein Sicherheitsrisiko ersten Ranges.
Meckenbach hat zunächst ihre Wohnung auf den Kopf gestellt, hat ihr später in der
Tiefgarage aufgelauert und sie dort erwürgt. Doch die Akten waren zu diesem Zeitpunkt
schon gar nicht mehr da.«
Häberle zeigte ein gezwungenes Grinsen. »Sie
haben den Herrn Bundeskanzler in den Wochen vor der Wahl ganz schön in Verlegenheit
gebracht.«
Linkohr wagte einen Einwand: »Vorausgesetzt,
der Kanzler hat überhaupt etwas damit anfangen können, was zu bezweifeln ist.«
»Richtig«, bekräftigte Häberle, »ich bin mir
ziemlich sicher, dass keiner der oberen Herrschaften etwas von den Machenschaften
gewusst hat, die eine Etage tiefer angezettelt worden sind.«
Bruhn nickte. »Und jetzt werden alle abtauchen
– und alles daran setzen, dass so wenig wie möglich davon an die Öffentlichkeit
dringt.«
»Vertuschen und Schönschwätzen ist des Politikers
oberstes Gebot«, erwiderte Häberle leicht resigniert.
»Und Raffgier«, bäffte Bruhn so deutlich, wie
es Häberle und Linkohr von ihm nicht erwartet hätten. »Und wir sitzen dazwischen.
Deshalb darf sich der Herr Leitende Oberstaatsanwalt ein paar schöne Formulierungen
für die Pressekonferenz ausdenken.« Er überlegte einen Moment, ehe er energisch
auf Häberle zeigte und im Befehlston entschied: »Und Sie gehen dort hin.«
Der Kommissar verzog das Gesicht, wagte aber
jetzt, nach dem Stress der vergangenen Stunden, keinen Widerspruch. Dazu war er
einfach zu müde.
Bruhn sprang unversehens auf. »Ach, ja«, sagte
er eher beiläufig und lief weg, »das mit der Dienstaufsichtsbeschwerde … vergessen Sie’s.«
Häberle und Linkohr blickten dem Kriminaldirektor
nach. »Wissen Sie, was ich an solchen Fällen immer schade finde?«, wechselte der
Kommissar ruhig das Thema und trank sein Glas leer.
Linkohr schaute ihn fragend an.
»Dass ein paar Drecksäcke ein ganzes Land in
Verruf bringen können«, stellte Häberle fest, »eine Hand voll Schweinehunde können
das Image versauen.« Er griff hinter sich auf den Boden, wo eine Kiste Pils stand,
fingerte zwei Flaschen heraus und stellte sie auf den Tisch. Linkohr schenkte die
beiden Gläser voll. »Die Slowakei ist so ein schönes Land, hat so viele nette und
freundliche Menschen – und da kommen ein paar so Schweinehunde daher und sorgen
für Antipathie. Das ist sehr, sehr schade. Aber sind wir doch ehrlich, umgekehrt
ist es genauso …« Er nahm einen
kräftigen Schluck, »… es gibt mindestens ebenso viele Deutsche, die im Ausland Sauereien
veranstalten.«
Linkohr trank ebenfalls und nickte dabei.
»Um so wichtiger ist es, sympathische Botschafter
zu haben«, erklärte der Kommissar entspannt, »einen Botschafter wie Klinsmann. Ich
bin überzeugt, er wird bei der WM das Bild des sympathischen Deutschen in die Welt
hinaustragen, egal, ob wir den Titel holen oder nicht.«
»Der repräsentiert uns besser als jeder Politiker«,
bekräftigte Linkohr, »und das Tollste daran ist: Er ist ein Schwabe und will dies
auch nicht verheimlichen.«
»Haben Sie gewusst, dass er sich für Waisenkinder
in Osteuropa stark macht?« Häberle war eingefallen, dass er dies kürzlich irgendwo
gelesen hatte. »Er hat eine Stiftung gegründet. ›Agapedia‹ heißt sie und er steht
ihr vor.«
»Gehört hab ich davon, ja«, erwiderte Linkohr.
»Ich find den Klinsi derart sympathisch«, lächelte
Häberle, »ich werd ein paar Euro-fuffzig für seine Stiftung spenden.«
Der junge Kollege nickte zustimmend. »Wenn
ich Ihren Lieblingssatz richtig interpretiere, dann ist der Bundestrainer-Job die
einzige,
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