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Schusslinie

Schusslinie

Titel: Schusslinie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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geschickt.
Den leeren Aktenkoffer haben wir bei ihr gefunden.« Wieder rumorte es im Saal. Häberle
fuhr fort: »Ja, meine Herrschaften, das alles hat natürlich bei manchem von Ihnen
große Irritation ausgelöst. Plötzlich misstraute jeder jedem. Herr Gangolf …« Er wandte sich wieder ihm zu, »… er hat
versucht, mit seinem Herrn Liebenstein, aber auch mit seiner charmanten Begleiterin
Frau Campe, die verworrene Lage hier im Süden zu sondieren.« Erneut wurden erboste
Zwischenrufe laut, doch der Kommissar ließ sich nicht unterbrechen: »Wie groß die
Verantwortung jedes Einzelnen von Ihnen war, werden die Abschlussermittlungen ergeben«,
stellte Häberle fest, »die juristische Seite wird aufgearbeitet – die moralische
ist Ihre, mit der Sie ein Leben lang behaftet sein werden.« In solchen Momenten
hörte er sich wie ein Pfarrer an. Er schien jetzt zwar zum Ende seiner Ausführungen
zu kommen, doch spürte jeder im Saal, dass noch etwas ungesagt im Raum stand. Wenn
Anna zwar Lanski erschossen hatte, dann aber selbst Opfer wurde – dann musste es
noch einen weiteren Mörder geben.

75
     
    Ute Siller war in einen der Mannschaftstransportwagen verfrachtet worden.
Sie hatte sich verzweifelt gegen die festen Klammergriffe der SEK-Beamten gewehrt,
dann aber schließlich ihren Widerstand aufgegeben. Linkohr war ihnen auf den Burghof
hinaus gefolgt. Er gab sich im Kastenwagen gegenüber der Frau zu erkennen. Über
ihr Gesicht huschte ein Lächeln. Ihre blonden Haare waren zersaust, Wimperntusche
hatte sich mit Schweiß vermischt.
    Der Jungkriminalist saß ihr an dem Klapptischchen
gegenüber, während draußen, vor der geschlossenen Schiebetür des Autos, ein SEK-Beamter
postiert blieb.
    »Sie sollten sich nicht so aufregen, es ist
bald überstanden.«
    »Überstanden«, seufzte sie. Noch immer war
sie außer Atem. »Es tut mir leid – das gerade eben«, sagte sie erschöpft, »aber
mich nimmt das alles mit. Ich bin nervlich am Ende.«
    »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen«,
entgegnete Linkohr, der den angeklebten Vollbart als äußerst lästig empfand. Er
überlegte, ob er ihn einfach abreißen konnte, verwarf dann aber den Gedanken.
    »Was ist eigentlich aus dem Umzug der Firma
›Nubru‹ in die Slowakei geworden?«, versuchte er das Thema zu wechseln.
    Sie zuckte mit den Schultern. »Wir haben enorm
viel investiert. Frau Nullenbruch und ich sind weiterhin auch davon überzeugt, dass
wir das Unternehmen nur durch die Verlagerung der Produktion in ein Billiglohnland
zukunftsfähig machen können. Ob natürlich jetzt …« Sie seufzte in sich hinein, »… nach allem, was geschehen ist,
es noch ratsam erscheint, dort unten in Erscheinung zu treten, wird man erst in
Ruhe überlegen müssen. Überhaupt denk ich«, sie tastete ihre Frisur ab, »… dass
mancher Unternehmer, der in einer Euphorie dort unten investiert, die Folgen nicht
abzuschätzen vermag. Folgen wirtschaftlicher, politischer und sicherheitsrelevanter
Art.« Linkohr nickte. »Wenn Sie überlegen«, fuhr sie fort, »dass selbst hierzulande
Pizzabäcker mit Schutzgeld-Erpressungen konfrontiert werden – um wie viel höher
sind solche Gefahren erst in diesen Ländern – auch wenn sie der EU angehören?!«
Auch in dieser Situation, dachte der Kriminalist, wirkte diese Frau kühl und sachlich.
»Das sind Folgekosten«, erklärte sie, »denen wir Betriebswirtschaftler bisher nicht
die nötige Aufmerksamkeit gewidmet haben – bei allem Ärger über die hohen Steuern
und Abgaben bei uns. Und wenn passiert, was jetzt in Košice geschehen ist, dann
sehen die Kalkulationen plötzlich ganz anders aus.«
     
    Häberle sah links von sich Gangolf zusammengesunken am Fenster lehnen,
vor sich seine kreidebleiche Eva, neben ihr Nullenbruch. Niemand im Saal sagte etwas.
Der Kommissar nahm Beierlein ins Visier und beäugte nacheinander die anderen Personen,
die wohl entweder großzügige Sponsoren waren, Politiker oder Sportfunktionäre, möglicherweise
auch schon gekaufte Schiedsrichter oder Fußballer selbst. Häberle kannte jedoch
keinen von ihnen. Demnach spielte sich die ganze Schwindelorganisation nicht auf
höchster Ebene ab. Man hatte wohl strikt darauf geachtet, die Großen aus der Schusslinie
zu halten.
    Häberle war ein paar Schritte hin- und hergegangen.
»Damit wären wir beinahe am Ende«, fuhr er fort, »… beinahe! Meine Kollegen werden
jetzt Ihre Personalien aufnehmen. Einigen Herrschaften jedoch werden wir möglicherweise
die vorläufige

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