Schwaben-Liebe
Ann-Katrin, Dr. Genkinger, Braig nacheinander freundlich die Hand reichend.
»Gaaaaaaanz herzlich willkommen! Was für eine Ehre für mich, mein lieber Herr Doktor, und welche Auszeichnung für unser Haus, dass Sie, liebe Frau und lieber Herr Kriminalrat unserer Einladung nachkommen, wo Sie beruflich doch so eingespannt sind!«
Braig hatte den Händedruck wie der Tierarzt mit einer artigen Verbeugung erwidert, die neue Aufmachung ihrer Gastgeberin innerlich grinsend zur Kenntnis genommen. Ein hoch aufgetürmtes Gebirge tief schwarzer, den Kopf weit überragender Locken, eimerweise aufgetragenes Make-up, ergänzt von nicht weniger reichhaltig verwendetem Eyeliner und Lippenstift. Das in seinem grellen Rot die Augen schmerzende Kleid legte weite Teile des üppigen Busens frei, endete dafür erst wenige Millimeter über dem Boden. Beim letzten Besuch war die Dame in hellem Blond erstrahlt, hatte sich Braig erinnert.
Dr. Genkingers charmierende Worte hatten ihn aus seinen Gedanken gerissen. »Wir wollen ja nicht gegen die Hausund Charity-Ordnung verstoßen. Aber dass wir uns an keine Konvention halten, wissen Sie ja inzwischen, liebe Frau Bopfinger. Die wichtigste Person der ganzen Festgemeinde ist es uns wert.«
Isis Bopfinger hatte gegluckst wie ein alkoholisierter Teenie, als ihr der Veterinär den kleinen Snack überreicht hatte. »Caruso, oh, der wird sich aber freuen. Oh, wo ist er denn, unser kleiner Caruuuuuso«, hatte sie den Namen wie den Höhepunkt einer Opernarie geschmettert, bis ein kräftiges Bellen aus den Tiefen des Hauses zu vernehmen und ein dicker, weißer Pudel bei ihnen aufgetaucht war. »Caruuuuuuso, mein Schatz, das ist für dich!«, hatte sie geflötet, den Snack ausgepackt und ihn ihrem Vierbeiner überreicht, sie dann ins Innere zu den übrigen Festgästen geführt.
Der riesige, mit weißen Fliesen ausgelegte Raum war von unzähligen festlich gekleideten und eifrig miteinander palavernden Menschen bevölkert gewesen. Braig hatte sofort mehrere Gesichter erkannt. Aus der Zeitung, dem Fernsehen, von den Plakaten politischer Parteien her. Die gegenüberliegende Seite des Raumes war von einem üppigen Angebot an Fisch-, Fleisch-, Käse- und Obsthäppchen geprägt, die fast der gesamten Wand entlang auf einer nicht enden wollenden Gruppe von Tischen aufgereiht waren, flankiert von einem meterlangen Sammelsurium aller möglichen Getränke. An der Rückwand am anderen Ende prangte in der Höhe eine gewaltige, weiße Leinwand, darunter warben Plakate mit großformatigen Fotos und dick gebalkten Überschriften um Spenden für das Bittler’sche Waisenhausprojekt. Zwei junge, mit ultrakurzen Röckchen und fein ziselierten, weißen Schürzen bekleidete Frauen wuselten umher, boten mit freundlicher Miene Cocktails, Weine und Champagner feil.
Braig hatte sich einen mit Campari angereicherten Orangensaft reichen lassen, war dann, von Dr. Genkinger angeleitet, gemeinsam mit Ann-Katrin zu einem der reichhaltig bestückten Tische geschlendert und hatte sich dort bedient. Er war, ob er es wollte oder nicht, Ohrenzeuge der verschiedensten Gespräche der rings um sie herum versammelten Gruppen geworden, hatte von exklusiven, bisher völlig unbekannten Reisezielen genauso wie von extravaganten, bislang noch nie in Europa angebotenen Delikatessen gehört und war schließlich auch mit den Dialogen beruflich äußerst erfolgreicher Herren vertraut geworden.
»Also, mein neuer XL schafft die 290 mit links. Geschwindigkeitsbeschränkung hin oder her, wenn ich freie Bahn habe, fahre ich die voll aus, gleich, was der rauspustet. Warum denn nicht? Ich lass mir doch nicht alles verbieten, auch wenn …«
»290? Das ist doch lasch! Unter 300 läuft bei mir überhaupt nichts mehr. Wozu delektiere ich mich an dem Cabrio? Also, auf 320 ziehe ich den jedes Mal hoch, Zefix halleluja! Und dann bleiben all diese primitiven Plebejer in ihrem erbärmlichen rumänischen und koreanischen Blech zurück, und mir gehört die Straße. Und wenn sich einer von diesen Langweilern in den Weg stellt, drücke ich kräftig auf die Hupe. Dürfen nur keine Blaumänner …« Der Rest war in kräftigem Lachen untergegangen.
Braig war die Stimme sofort bekannt vorgekommen. Schon bei den ersten Worten hatte er den Anflug einer Gänsehaut auf seinem Rücken gespürt. Söderhofer, die Krönung aller Staatsanwälte. Jedem wollte er begegnen, nur dem nicht. Nicht auch noch außerhalb seines Dienstes.
Er hatte den beiden Männern nur einen kurzen
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