Schwaben-Liebe
lassen sich das nicht bieten, begreif das doch endlich!«
»Quatsch. Schluss jetzt mit dem Schwachsinn. Alles ist Einbildung. Es gibt keine Verfolger. Reiß dich endlich zusammen. Ich verbiete dir, mich nochmals mit dem Quark zu belästigen, hörst du? Ich lege das Handy jetzt weg und will meine Ruhe haben. Werd endlich wieder normal!«
Er hatte das Gespräch einfach beendet und ihn hier allein stehen lassen. Hessler blickte sich um, betrachtete die Passanten, die im Schein der Laternen auf den Eingang des Bades zuliefen oder von dort zu ihren Autos strebten. Er kannte niemand, vermochte nicht zu sagen, ob Leute dabei waren, die er in den letzten Tagen schon einmal bemerkt hatte. Der Typ mit den schwarzen Jeans und den Sportschuhen etwa, der mit gemächlichen Schritten auffällig langsam von den Thermen wegschlenderte? Er trug eine jener widerlichen Sonnenbrillen, die die Augen komplett verbargen, dem Gegenüber keine Chance gaben, das Gesicht vollständig zu sehen. Jetzt, bei Einbruch der Dämmerung, noch mit Sonnenbrille? Hessler spürte, wie ihm noch mehr Schweiß kalt aus den Achseln perlte. Hatte der Kerl nicht eben direkt zu ihm hergeschielt? Er bewegte sich ein paar Meter auf das kleine Häuschen der Bushaltestelle zu, wandte den Kopf zur Seite, drehte ihn dann blitzschnell wieder zurück. Die widerliche Sonnenbrille war verschwunden, der gesamte Eingangsbereich menschenleer. Hessler überflog den Parkplatz mit seinem Blick, sah den Mann in ein dunkles Auto steigen. Der Typ klemmte sich hinter das Steuerrad, schien sich nicht für ihn zu interessieren. War es doch Einbildung?
Er versuchte, sich endlich auf sein Vorhaben zu konzentrieren, nahm die Kamera hoch, schaltete sie ein. Der Blick durch den Sucher bestätigte ihm, dass er genau die richtige Tageszeit für die Aufnahmen gewählt hatte: die mehr und mehr ins Dunkle getauchte Umgebung, Tausende von winzigen Lichtern in den Straßen und Gebäuden der Stadt unten im Tal, dazu die schwarze Mauer der Schwäbischen Alb als hoch aufragende Begrenzung im Süden. Dann der Schwenk zu den in leuchtendem Gelb-Grün aus dem Dämmer tauchenden Glaspalästen der Thermen … Ein Traum, ein wunderbarer Traum als Aufmacher für den neuen Werbespot. Besser hätte es niemand in Szene setzen, effektvoller nicht der beste Regisseur auf den Chip bannen können …
Hessler schwenkte die Kamera weiter nach rechts, hatte Teile des Parkplatzes im Bild. Eine dunkle Limousine, zwei Männer im eifrigen Gespräch auf den Vordersitzen, die Gesichter deutlich zu erkennen.
Hessler hielt die Kamera still, versuchte, sich auf die beiden Männer zu konzentrieren. Er sah das dicke Geldbündel in der Hand des einen, zoomte sich so nahe heran, dass die Euro-Scheine deutlich zu erkennen waren. Hunderter, Fünfhunderter. In Großaufnahme war zu sehen, wie der andere den Packen mit weit aufgerissenen Augen entgegennahm. Der Mann schien sich zu bedanken, nickte dann mit dem Kopf, steckte das Geldbündel in seine Jackentasche. Im gleichen Moment erkannte Hessler den Mann.
Er blieb überrascht stehen, versuchte, das Gesicht hinter der Windschutzscheibe möglichst deutlich auf seinen Chip zu bannen. Der Mann in dem Fahrzeug ließ seine Augen über die Umgebung schweifen, blieb bei ihm hängen, schien plötzlich zu erstarren. Er stierte voll in die Kamera, riss seine Hände hoch, verdeckte sein Gesicht. Er rief seinem Nebensitzer mehrere Worte zu, tauchte nach unten ab. Hessler verfolgte die Szene fasziniert, sah, wie der andere plötzlich aufgeregt zu ihm herstarrte und nervös nach dem Fahrzeugschlüssel suchte. Mit laut aufheulendem Motor startete er den Wagen, riss das Steuer zur Seite, raste ohne Licht davon.
Hessler wusste nicht, was das zu bedeuten hatte, hörte plötzlich das laute Lachen eines Paares. Er drehte die Kamera zur Seite, dorthin, wo der Weg von dem etwas erhöht gelegenen, großen Hotel mündete, sah eine Frau und einen Mann mittleren Alters eng umschlungen und verliebt miteinander schäkernd auf den Parkplatz zuschlendern. Er nahm die beiden Gesichter voll ins Visier, filmte ihr strahlendes Lachen, sah die Aufmerksamkeit der Frau plötzlich auf sich gerichtet. Im Augenblick einer Sekunde veränderte sich ihre Körperhaltung vollkommen. Sie löste sich aus der Umarmung ihres Begleiters, starrte krampfhaft von der Kamera weg auf die andere Seite, beschleunigte ihre Schritte. Sie eilte so schnell sie konnte auf den oberen Teil des Parkplatzes, rannte im Schatten der Bäume
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