Schwaben-Rache
Mindestens drei Flaschen Bier in den letzten sechzig Minuten, hatte er geschätzt, und wohl noch etliche Hochprozentige dazu.
»Die massakrieret uns bei lebendigem Leib, bringet Fraue und Kinder um, vergewaltiget unsere Töchter und machet unsere Autos kaputt.«
»Alles halb so schlimm«, hatte Braig gebrummt, »wenn nur das letzte nicht wäre.«
Göckele hatte ihn verständnislos angestarrt. »Mei scheener, wunderbarer Mercedes!«
»Von was reden Sie?«
Hermann Göckeles Gesicht hatte sich in eine wuterfüllte, giftspeiende Grimasse verwandelt, seine Zähne knirschten laut. »Kapieret Sie überhaupt nix? Die machet mir mein scheene Mercedes kaputt, und unser Polizei lauft vorbei und unternimmt nix!« Voller Wut hatte er auf die Vorderfront des Fahrzeugs gezeigt, wo normalerweise der Stern thronte. »Mei Mercedesstern isch weg, sehet Sie des net?«
Braig hatte den Gestank aus dem Wageninneren beim besten Willen nicht länger ertragen können.
»Weg! Oifach weg! Mei scheener Mercedes«, war ihm das Gejammer seines Nachbarn noch bis ins Treppenhaus gefolgt. »Und Stinkbombe hent mir die Verbrecher uff d' Polster gschmisse, Stinkbombe! Aber unsere Polizeimeischdr ganget hoim, und d' Gängnstr machet die Straße unsicher! Auspeitscht ghöret se, gevierteilt und gerädert und dann noch ghängt. Alle.«
»Stinkbomben«, sagte Braig beim Essen zu Frau Ungemach, »Herr Göckele beschwerte sich über Stinkbomben auf seinem Autopolster.«
»Sonst nichts?«
»Sein Mercedesstern fehlte«, ergänzte Braig, »abgerissen.«
Elisabeth Ungemach winkte mit der Hand ab. »Waren nur ein paar Tropfen Schwefelwasserstoff«, meinte sie trocken, »wenn er schon die Fenster von seinem Karren nicht richtig schließt. Das beschäftigt den Kerl eine Weile, oder? Und was den Stern angeht, ich dachte, der macht sich hier besser.«
Sie zog eine dicke Kerze am Rand des Tisches hinter einer hohen Schüssel vor, stellte sie mitten auf den Tisch. Statt eines Dochtes ragte das Original eines Mercedessterns aus der Kerze hoch.
»Darf ich annehmen ...«, setzte Steffen Braig vorsichtig an, wurde aber von seiner Nachbarin unterbrochen.
»Schwaben-Rache«, erklärte Elisabeth Ungemach mit fester Stimme, »reine Notwehr. Auf unserem Bahnhofsturm thront so ein Stern, warum nicht auch bei mir?«
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