Schwätzen und Schlachten
sonst, mit einer Kuh? Aber psst jetzt, deine Omi ist noch nicht fertig.
– eine Hatz, sagte Frau von Sydow gerade, alle, die einen Jagdschein besitzen, mögen sich bei Onkel Jodok melden, alle anderen werden ermuntert, als Treiber teilzunehmen. Der Jagdpächter Dr. Friedrich Wiest war so freundlich, uns für diesen Tag den Wald zur Verfügung zu stellen, er wird sich uns mit Freuden, Freunden und Hunden selbstverständlich anschließen. Zur vorherigen Information über den Ablauf und Prävention vor allfälligen Unfällen treffen sich alle Interessierten morgen zu Tee und Früchtekuchen im Salon. Die AG Quilten trifft sich jeweils –
Sydow hörte nicht mehr zu, Hühner schlachten, was sollte denn das. Und mit Hühnern geübt? Wo übt man mit Hühnern das Schlachten? Sicher war das wieder eine neue Narretei, Simon würde mit einem Hackebeil hinter einem aufgeregten und laut gackernden Huhn herrennen, es würde immer schneller sein als er und die zuschauende, hochinteressierte Verwandtschaft würde ihn, Sydow, fragen, kennt ihr euch?
Und als wäre das nicht genug des Unfugs, musste er sich abends noch als singendes Trio produzieren und damit unumwunden eingestehen: Ja, wir kennen uns.
Er sah hinüber zu Anna Snozzi, sie hatte einen mordsdicken Bauch und einen haushoch mit Kuchen und Gebäck beladenen Teller vor sich stehen und Onkel Dagobert reichte ihr immer neue Spezereien, Pralinen und Toffeetäfelchen, schokolierte Früchte und Nougat aus Montélimar. Er dachte kurz und schmerzlich an ein provenzalisches Mädchen mit geschürztem Rock, bis zu den Knien in einem Zuber voller Trauben. Er dachte an Montélimar, ein Ort wie eine Verheißung, an Lavendelfelder und Busentücher, er dachte daran, dass das Mädchen auf seinem Herzen herumtrampelte, als käme dorten der junge Wein heraus, dabei war es nur ein Adolf Wunderlich’s echt Roßbacher Magenbitter. Er dachte an Katharina Fitzwilliam, sie war nicht sein Schicksal gewesen, er dachte an andere Frauen, alle nicht sein Schicksal, er betrachtete Anna Snozzi und sie war nicht die Seine. Morgen käme Wolfgang und erfreute sich an Frau und Bauch, David und Katharina waren zweisam und brauchten keinen mehr auf der Welt, bei Simon würde in nicht ferner Zukunft seine Zusatzversicherung greifen, er, Frederik von Sydow, hatte eine diesbezügliche Vision gehabt und wenn er auch sonst nicht wusste, was das Morgen bringen mochte: das ganz bestimmt. Er spürte es einfach.
Alles formierte sich neu, allüberall fand ein Herz zum andern, wo er hinschaute, wurde einer zum Mann und nahm sich eine Frau.
Und er hatte seine Plätzchen- AG . Um acht. Und kein Mensch würde kommen.
Morgen war Weihnachten, dachte Sydow düster. Das epische Präteritum schlägt wieder zu.
106. Ein schöner Tag
Heute war Weihnachten. Sydow hatte keine Ahnung, wie Käte Hamburger das einordnen würde in ihrer Logik der Dichtung. Seiner ganz persönlichen Meinung nach hatte Dichtung keine Logik, es war die große Qualität der Kunst, nicht logisch zu sein. Wunder waren möglich. There’s still hope, fellows, murmelte er mit geschlossenen Augen vor sich hin, there’s still hope.
Er lag noch im Bett, der Wecker hatte geschellt. Es war kurz vor sieben und ganz dunkel draußen, er hatte die Nachttischlampe angeknipst. Heute war Weihnachten. Aber am Vormittag hatte sie den Baum zu putzen. Morgen war Weihnachten. Jeder, der durch die Germanistik marschiert war, kannte Käte Hamburger und Morgen war Weihnachten , niemand wusste, aus welchem Buch es stammte. Vermutlich hatte Käte Hamburger es erfunden, um ihre Theorie zu stützen.
Heute war Weihnachten, heute wurde ein Baum geschlagen und geputzet. Heute konnte er mit seiner Ich- AG Plätzchen backen.
Er kämpfte sich aus der Decke und setzte sich auf, regnete es? Nichts zu hören. Er stand auf und tappte durch das halbdunkle Zimmer hinüber zum Fenster. Er schaute hinaus.
Kein Regen, keine Pfützen, kein Herbstwetter mitten im Winter. Es hatte geweihnachtet. Draußen war eine friedliche und stille Welt, durch den Schnee nicht ganz dunkel, ein zauberhafter Schimmer, er wurde handkehrum zuversichtlich und optimistisch. Es war gar nicht so sehr kalt im Zimmer, konnte das sein? Er ging zum Kachelofen und legte die Hand an die Kacheln, die Wärme arbeitete sich hoch. Jemand musste in aller Frühe schon geheizt haben, herrlich. Ein Wichtel wahrscheinlich, die Sydows fanden wirklich überall ihre Anhänger. Heute war Weihnachten. Es würde ein schöner
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