0727 - Mystic, der Maniac
Tief atmete die Person durch. Sie lächelte kalt und nicht ohne Triumph. Als sie die Lippen bewegte, um etwas zu sagen, drang nur ein Flüstern aus dem Mund. »Es hat geklappt, es ist vollbracht. Es ist einfach wunderbar, herrlich…«
Der Satz brach ab, sie räusperte sich. Dann ging sie näher an die Leiche heran. Sie bewegte sich dabei wie in Trance und zeigte überhaupt kein Entsetzen bei diesem Anblick. Es war eher das Gegenteil der Fall. Sie schien nur auf dieses Ereignis gewartet zu haben. Auf der Treppe, dicht an der Wand, stellte sie den Teller mit der brennenden Kerze ab. Sie brauchte das Licht, weil sie den Toten näher untersuchen wollte.
Er trug noch seine normale Kleidung, die in der oberen Hälfte, um den Hals herum, Blutflecken zeigte. Das Licht reichte aus, um die Wunden genau untersuchen zu können.
Bevor Yannah das tat, warf sie einen Blick auf die Treppe, die in einer Linkskurve in den Keller führte.
Um allerdings jede Einzelheit an der Leiche erkennen zu können, brauchte sie mehr Licht. Aus der Tasche holte sie eine schmale Lampe hervor, schaltete sie ein und leuchtete auf das Gesicht des Toten.
In der folgenden Minute konzentrierte sie sich auf ihre Arbeit. Yannah war so in Gedanken vertieft, daß sie an nichts anderes mehr dachte und auch nicht hörte, daß sich außerhalb des Kellers jemand bewegte.
Schritte klangen auf.
Nicht sehr schnell oder aggressiv, eher vorsichtig gesetzt, als würde sich derjenige, der sich dem Keller näherte, vor diesem Ziel fürchten. Erst vor der Tür verstummten die Geräusche. Verschlossen war sie nicht. Schulterbreit stand sie offen. Jedoch nicht breit genug für den Mann, der in den Keller hinein wollte.
Eine Hand erschien am Türrand. Finger legten sich darum, dann bewegte sich die Tür nach außen.
Yannah, die Weiße Hexe, kümmerte sich nicht darum. Sie hatte nicht einmal einen Blick dafür übrig. Nur die Leiche interessierte sie und natürlich der wandernde Strahl der kleinen Lampe, der lautlos über das Gesicht hinwegstrich.
Am Ende der Treppe entstand das Viereck. Auf der Schwelle stand eine Gestalt.
Ein Mann.
Ein Chinese!
Er war aus dem Dunkel gekommen, er schaute in die zuckende, flackernde Helligkeit, und sein Gesicht sah dabei aus wie eine Maske, in der sich nichts regte. Nur in seinen Pupillen schimmerten die Reflexe nach, über seinen Mund huschten Licht und Schatten, und plötzlich waren auch die Falten in seinem Gesicht zu sehen, die wegen eines bestimmten Ausdrucks entstanden waren.
Das Gesicht zeigte Entsetzen!
Es war ein schwer zu beschreibender Ausdruck. Ein stummer Schrecken, eingraviert in die Haut.
Stille herrschte.
Sekunden vergingen. Der einsame Mann atmete nur sehr leise, als hätte er Angst, daß ihn Yannah hören könnte.
Die Weiße Hexe hörte ihn. Sie drehte sich herum. Das Leder ihrer Kleidung bewegte sich knarrend, vor ihrer Brust klirrten die Einzelteile der Ketten gegeneinander. Sie bestanden aus kleinen knochenähnlichen Teilen.
Yannah blickte hoch. Suko schaute auf sie hinab.
Beide sprachen nicht, doch jeder wußte genau, was der andere dachte.
Yannah lächelte, sie freute sich, sie war in ihrem Element, dann nickte sie.
»Hallo, Suko.«
Der Chinese gab keine Antwort. Er war einfach zu entsetzt. Seine Blicke fraßen sich an der gräßlich zugerichteten Leiche fest. Er bewegte dabei seine Nase, als könnte er den Geruch des Blutes riechen, den die Leiche ausströmte.
Yannah bewegte ihre Hand. Sie deutete auf die Leiche. »Da siehst du ihn«, sagte sie.
»Was hast du getan?« Er stieß die Worte hart hervor. Es war eine kurze Frage gewesen, aber sie beinhaltete alles, was Suko empfand. Enttäuschung ebenso wie Entsetzen. Angst und Furcht vor dem Unausweichlichen. Und das Gefühl, einen Weg verlassen zu haben, den er bisher strikt eingehalten hatte.
»Was sollte ich getan haben?«
Suko zuckte zurück. Er strich über sein Gesicht. »Muß ich das noch einmal wiederholen.«
Yannah verdrehte die Augen. Sie schaute dabei gegen die Decke und lachte. »Nein, eigentlich nicht. Aber ich habe den Eindruck, daß du dich völlig irrst.«
»Die Tatsachen sprechen dagegen.«
»Welche Tatsachen?«
»Es ist doch der Mann, den du dir ins Haus geholt hast. Und jetzt ist er tot. Du stehst neben der Leiche und scheinst dich zu freuen. Die Tatsachen liegen auf der Hand.«
»Daß ich ihn getötet habe?«
»Richtig.«
Yannah blieb gelassen. Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Müßte man annehmen, aber so
Weitere Kostenlose Bücher