Die Terranauten 046 - Die Eisteufel
»Noch fünf Minuten«, sagte Ennerk Prime langsam und warf einen unruhigen Blick auf die Bildschirme, auf denen kalt die weit entfernten Sterne funkelten. Der sechzigjährige Treiber preßte die Lippen aufeinander und ließ dann seine breiten Hände über die Sensoren vor sich gleiten.
»Es gibt keinen anderen Weg?« erkundigte sich Onnegart Vangralen unruhig. Er war wie Prime Treiber und Terranaut. Prime schüttelte nur den Kopf.
»Nein, keinen anderen. Wir können hier nicht einfach warten und darauf hoffen, daß uns jemand aus der Unendlichkeit fischt. Es könnte Jahre dauern, bis wir auf ein anderes Terranautenschiff stoßen. Nein, wir müssen mit der BERLIN hindurch. Uns bleibt keine andere Wahl; die Informationen sind zu wichtig. Und wir können nicht mit einem gekaperten Gardenschiff Aqua anfliegen, weil wir sonst den Bund in diese Sache hineinziehen.«
BERLIN, das war die offizielle Bezeichnung für das Kaiserkraft-Kurierschiff, das sie zum Norvo-System gebracht hatte. Das Schiff, dessen Weltraum-II-Navigator durch eine rätselhafte Veränderung Intelligenz entwickelt hatte. Eine Intelligenz, die so fremdartig war, daß selbst die Treiber mit ihren PSI-Fähigkeiten keinen Kontakt zum Sucher-Eigenbewußtsein herstellen konnten. Nur die Terranautin Lyda Mar konnte mit dem Navigator, oder Sucher, Kontakt aufnehmen. Sie hatte dieses Eigenbewußtsein als Freund bezeichnet. Und die anderen der Einsatzgruppe mußten sich darauf verlassen.
»Lyda«, sagte Ennerk, »es wird Zeit.«
Aber Lyda reagierte nicht. Ihre Augen waren geschlossen, das vom Fluoreszenzschimmel, jener gefährlichen Sarym-Krankheit, zerfressene Gesicht entspannt. Prime hatte für einen winzigen Augenblick den Eindruck, daß neben ihm nur noch Lyda Mars Körper saß, eine tote, geistlose Hülle. Der Schock von Dämon Credocks Tod, des Menschen, den sie über alles geliebt hatte, steckte Lyda noch tief in den Knochen. War ihr Verstand zurückgefallen in die Welt der PSI-Aura, in die Welt, in der Wünsche Wirklichkeit wurden und in der keine Gefahr existierte? Oder unterhielt sich ihr Geist nur mit dem Sucher-Eigenbewußtsein?
Wieder ging ein Zittern durch das Raumschiff, und die beiden Männer hielten sich unwillkürlich an den Lehnen ihrer Konturensessel fest.
»Verdammt, wir haben wirklich nicht mehr viel Zeit«, brachte Prime hervor. Sein Blick wanderte zurück zu den Außenbildschirmen.
»Wie nahe sind wir?«
»Viel zu nahe, mein Freund, viel zu nahe!«
Irgendwo im Bauch des Schiffes dröhnte ein überlastetes Aggregat auf; die Schiffshülle begann zu vibrieren.
KURSÄNDERUNG DRINGEND NOTWENDIG, flimmerte es über den Monitor der Navigationsautomatik.
»Als wenn wir das nicht selber wüßten!« knurrte Prime. Dort draußen war es, dunkel, drohend, unsichtbar und doch vorhanden. Düsterer als die finsterste Nacht, gefährlicher als eine explodierende Sonne: ein Schwarzes Loch. Kein Instrument war in der Lage, den Kollapsar sichtbar zu machen. Aber er war vorhanden, und die BERLIN streifte soeben die ersten Ausläufer seines Fangnetzes aus unglaublich dichter Gravitation.
Aber dieses Schwarze Loch war ein Phänomen ganz besonderer Art. Es war ein Tor zwischen den Universen, das den Zugang nach Rorqual, dem Planeten in Weltraum II, bildete, auf dem die geheime Basis der Terranauten lag. Und die BERLIN war ein Schiff, das mit Kaiserkraft angetrieben wurde …
Bisher hatten die zu ihrer Geheimbasis zurückkehrenden Terranauten Rorqual immer nur mit Treiberschiffen angeflogen. Und selbst das führte von Zeit zu Zeit zu gefährlichen PSI-Erscheinungen auf der Welt der Rätsel. Wenn sie nun mit einem von der entropiezerstörenden Kaiserkraft angetriebenen Schiff in den Korridor eindrangen, der das Black Hole vor ihnen mit seinem energetischen Pendant in Weltraum II verband, der Schattensonne, dann waren die Folgen unabsehbar …
Aber sie mußten dieses Risiko wagen. Nur zu deutlich erinnerten sie sich an die unmenschlichen Experimente auf Sarym, die Versuche der Kaiserleute, in der Station des Grauens Supertreiber zu züchten. Und die Korallenstädte, die Knospen des Baumes …
»Die Tiefschlafkammern sind in Ordnung«, sagte Vangralen. »Die drei Grauen schlafen ruhig und fest.«
Wieder lief eine schwere Erschütterung durch das Schiff, und jetzt war sie schon bedeutend stärker. Das Schwarze Loch griff nach ihnen, hungrig, unersättlich, alles in sich hineinzerrend, selbst die Lichtquanten.
Vangralen drehte sich zu Lyda um, deren
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