Schwätzen und Schlachten
zu ihren Automobilen geleitet, langsam durch die verschneite und zauberhaft weihnachtliche Landschaft davon.
So weit.
128. Wir machen alles falsch
Die Polizisten konnten davonfahren und alle anderen mussten dableiben.
Onkel Jodok kämpfte sich durch schwere Träume. Er war völlig außer sich gewesen, er hatte einen Mann erschossen, ich habe gedacht, es wär die Sau!, hatte er immer wieder händeringend gerufen, er hatte Frederik und David aus reinem Zufall nicht erschossen, wenn ihr nicht die roten Hauben aufgehabt hättet!, rief er immer wieder verzweifelt, jeden von euch hätt es erwischen können!
Das stimmte. Und das war es, was Frederik zu denken gab. Er hatte, seit sie alle wieder im Wohnzimmer versammelt waren, in der Hauptsache darüber nachgedacht, er hatte es gedreht und gewendet, aber es wurde einfach kein Schuh daraus.
Was war denn der Plan gewesen, von diesem Kowalski? Er verstand es beim besten Willen nicht.
Er verschob das Nachdenken darüber auf später und klinkte sich wieder in Simons Erläuterungen ein.
Simon hatte sich auf einen Stuhl am Kamin gesetzt, Katharina saß auf einem Sofa, David auf einem anderen. Der Rest der Sydows verteilte sich auf den Salon, sie saßen auf Fensterbrettern und auf dicken Kissen an die Wand gelehnt, sie waren mausestill und mischten sich nicht ein, weil all das hier ging sie nicht wirklich was an, sie waren nur die Komparsen in einem Stück, dem es aus ihrer Sicht an allem Möglichem mangelte, Chronologie, Logik und mit Sicherheit auch einem Happy End.
Nein!, sagte mein Lektor entgeistert.
Was nein.
Kein Happy End?
Ach was, das hier ist doch nur noch eine schwierige Klippe, die umschifft werden muss, das wissen die armen Verwandten noch nicht, nachher wird alles dufte.
Olaf betrachtete mich gefällig, ich fürchte, sagte er, das gehört zu dem, was wir alles falsch machen.
Das, sagte ich, fürchte ich auch.
Frau von Sydow saß in ihrem Sessel, betrachtete Simon und wartete, alle wandten sich ihm zu, warteten.
Wir, sagte Simon, also Katharina und ich, hatten nach dem Wegzug aus Leipzig gedacht, es sei überstanden.
Ich war der Meinung, fügte Katharina hinzu, Michi würde den neuen Aufenthaltsort, geschweige denn meine Adresse in Zürich nicht herausfinden. Er schien mir damals nicht mehr in einem Zustand zu sein, konkrete Recherchen betreiben zu können, er war in keiner besonders guten Verfassung.
Sie hatten für längere Zeit nichts mehr von ihm gehört, es hatte sich alles beruhigt. Sie hatten in Zürich zwei Wohnungen genommen, Katharina hatte dort ein weiteres Studium angefangen, zusammen produzierten sie Filme, die, wie auch vorher schon, ohne dass ihre Namen dabei irgendwo aufschienen, an den unterschiedlichsten Orten gespielt wurden.
An was für Orten, schaltete sich Frederik ein.
Ach, sagte Simon, verschieden. Vorfilme in unabhängigen Kinos oder beispielsweise auch in Elektrofachgeschäften. In den dortigen zum Verkauf stehenden Fernsehern laufen die normalen Programme, mitunter spielten sie unsere Bänder. Oder natürlich bei verschiedenen Kunstevents, wobei uns das eigentlich nicht so interessiert hat, wir waren eher für die Unterbringung in einem natürlichen Umfeld, ohne die Überschrift Kunst.
Vereinslokale, öffentliche Toiletten, sagte David leise vor sich hin.
Ja, sagte Simon, zum Beispiel. In der Schweiz gibt es ja relativ viele italienische Vereinslokale, in Deutschland kamen die Zuwanderer eher aus der Türkei, in der Schweiz aber aus Italien, dafür hatten unsere Filme genau das richtige Format. Jedenfalls war eine Weile lang Ruhe, wir hatten dann auch wieder einen Dritten im Bund, der regelmäßig mit uns arbeitete.
Gabriel, murmelte Frederik, er nickte wissend.
Severin, sagte Katharina. Wir hatten ihn bei einer Ausstellung kennengelernt. Er gehörte zu einer Gruppe ortsansässiger Künstler, die in Zürich in einer ehemaligen Kirche in der Bergstrasse –
Bergstrasse, notierte sich Olaf, nur wegen der Fahrradkarte, erklärte er mir, es ist nicht schlecht, wenn unsere Leser sich dort ein bisschen Kunst zu Gemüte führen können, kann ja nicht schaden, nachher schön essen gehen im Blutigen Daumen , eine Röschti essen, ein Zürcher Geschnetzeltes, ein bisschen schwätzen über Kunst, das ist doch ein prima Ausflug.
Meinst du?, fragte ich zweifelnd.
Klar, Kunst ist ja so wichtig, die Neuen Medien.
Klar, sagte ich.
– in der Bergstrasse Installationen machten, in der Regel furchtbares Zeug, so
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