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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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innerstädtischer Anruf, als würde man mit dem Mars verbunden werden. So klingt es, wenn mich meine Tante aus Afrika anruft.
    Du hast gar keine Tante in Afrika.
    Doch.
    Du hast keine Frau und keine Tante.
    Mein Gott, bist du gemein. Er lauschte in den Hörer.
    Irgendwer wird schon eine Tante haben in Afrika, sagte er. Und die ruft mich manchmal an. Aber so klingt es dann definitiv nicht. Es klingt innerstädtischer.
    Er lauschte noch ein bisschen.
    Es klingt dann wie ein innerstädtischer Anruf, sodass ich die Tante immer frage: Tante, bist du in der Stadt? Neee, sagt sie, was denkst du denn, ich bin in Afrika. Ach so, sage ich, dann sind Sie falsch verbunden, ich habe gar keine Tante in Afrika. Ich lege auf. Sie ruft aber immer wieder an, wahrscheinlich hat sie außer mir keine Verwandten.
    Er schaute weiter zur Decke. Wenn man, sagte er, auf einem Rucksack liegt und einen Schal um den Hals hat, kann man erst richtig nachvollziehen, wie es Leuten geht, denen es nicht so gut geht. Leuten mit Buckel zum Beispiel. Wenn die sich mal gemütlich auf den Rücken legen wollen und an die Decke schauen, stört immer dieser vollgepackte Rucksack und es ist überhaupt nicht gemütlich. Darum erfahren sie auch nie, dass sie überhaupt nichts verpassen, weil an der Decke absolut nichts los ist.
    Er lauschte und an der Decke passierte auch nichts Nennenswertes.
    Ich werde die Liga der Traurigen Buckligen anschreiben, die nie die Decke gesehen haben. Da oben ist nichts, werde ich schreiben, nix, nüschte, glaubt mir. Seid nicht traurig.
    Er lauschte.
    Niemand da, sagte er, der Mars ist unbewohnt, hätten wir eigentlich wissen müssen. Die Millionen Steuergelder, die für die Erforschung des Mars verbraten werden, alles für die Katz. Der Mars ist unbewohnt. Er drehte sich zur Seite, schaute Glaser an, Anrufbeantworter, sagte er. Nach drei Jahren klingeln kommt endlich einmal der Anrufbeantworter, das ist wegen der ungeheuren Dimensionen, die sie da auf dem Mars zurücklegen müssen, wenn das Telefon mal klingelt –
    Ja, sagte er, David, ich bins. Wir waren hier verabredet. Vielleicht erinnerst du dich. Wir sinds. Die Jungs, die ihre Zeit bei der Lotterie gewonnen haben. Wenn du heute Abend nach einem weiteren fruchtlosen Versuch, zu uns durchzudringen, müde nach Hause zurückkommst, ruf mal durch. Ich habe eine neue aufregende Abkürzung für dich. Über Russland, geht ganz fix. Oder wir organisieren einen Abholservice, eine Marsexpedition, Geld dafür gibts genug. Halt die Ohren steif. Roger.
    Er legte den Hörer auf, schob das Telefon wieder weit unter das Sofa, schaute nach dem Notenständer, weg, sagte er. Rätselhaft. Vielleicht haben ihm die siechen Telefone vom Telefonfriedhof eingeredet, er sei ein neumodisches mobiles Telekommunikationsgerät, und ihn zum Anschaffen wieder auf die Piste geschickt. Wenn du hier die Tage einmal einen Notenständer herumgehen siehst, der sich als Telefon prostituieren will, gib mir Bescheid. Der Notenständer und ich, wir haben noch eine Rechnung offen, alle Einkünfte aus Hurerei und Dirnenspiel gehen somit an mich. Danach wird er vielleicht befördert. Vielleicht zur Wäschespinne. Vielleicht zum Umspannwerk.
    Glaser lächelte, zupfte auf dem Cello, tsu mir is gekumen , summte er, ja, sagte er in das Zupfen hinein, ich werds ihm sagen.
    Sydow rappelte sich hoch, klopfte den Staub von den Hosen, staubig hier, sagte er, er begutachtete den Boden, bei dir ist es doch nie staubig. Findest du Staub wischen auf einmal zu viel verlangt.

44. Das ist schwer verdächtig

    Glaser winkte ab, blätterte in seinen Noten, nahm das Heft und schüttelte es aus, aber nichts fiel heraus. Er lehnte das Cello an seinen Stuhl und ging hinüber zum Rollschrank und zog den Rollladen herunter, ging die Partituren durch.
    Er drückte Sydow die Noten in die Hand, Staub wischen ist nicht zu viel verlangt, sagte er, und das ist für die Begleitung. Er warf einen Blick auf Sydows Gesicht, das wird dir gefallen, glaub mir, das macht irrsinnigen Spaß. Ich habe so eine Idee, das wird richtig gut. Er setzte sich wieder hin, nahm das Cello, zupfte an den Saiten und drehte an den Schrauben. Du schaust ja immer noch so entsetzt, sagte Glaser, er warf ihm einen Blick zu.
    Bei dir ist es aber nie staubig gewesen!, rief Sydow.
    Du bist entsetzt, sagte Glaser, wegen dem Wischen. Ist eigentlich nicht meine Art. Ich war nicht häufig da in letzter Zeit.
    Sydow ließ sich wieder in die Sofapolster sinken, starrte ihn an, was

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