Schwarzbuch WWF: Dunkle Geschäfte im Zeichen des Panda (German Edition)
1. DIE BRAUT TRÄGT PANDA
Auf dem Bremer Ökomarkt treffe ich Abiud. Er war gerade in seiner Heimat Mexiko, um dort zu heiraten; und zwar nicht irgendwo, sondern in Chiapas, dem Zentrum des zapatistischen Aufstandes. Auch jetzt noch, Tage nach dem großen Ereignis, wirkt Abiud verwirrt. Denn die Stadt San Cristóbal machte keinerlei revolutionären Eindruck, sie ist fest in der Hand des Getränkekonzerns Coca-Cola . Als er die barocke Kathedrale betrat, empfing ihn der ohrenbetäubende Lärm vom Gemurmel hunderter Gläubiger. Sie hockten auf dem nackten Steinfußboden und huldigten ihren alten indianischen Göttern. Viele verfielen in ekstatische Tänze; wahrscheinlich, so dachte sich Abiud, weil sie den heiligen Schnaps namens Pox getrunken hatten. Vom Pox muss man rülpsen – ein bewährtes Mittel, um die bösen Geister zu vertreiben. Als Abiud selbst kostete, musste er sich fast übergeben: Im Gefäß war Coca-Cola pur.
Die Company hat mit der Gemeinde einen Partnerschaftsvertrag geschlossen. Sie spendet Geld, im Gegenzug wird im Tempel Gottes nur noch Coca-Cola getrunken. Auch in den Supermärkten der Stadt gibt es nur noch Coca-Cola zu kaufen. Die Ladenbesitzer erhalten von der Firma eine Prämie, wenn sie andere Getränke aus den Regalen nehmen. Die Stadt ist gepflastert mit leeren Coca-Cola-Dosen und die Kinder lachen die Besucher aus zahnlosen Mündern an. Nirgendwo auf der Erde wird so viel Coca-Cola getrunken wie in Chiapas. In den Bergen über der Stadt hat Coca-Cola die Wasserquellen gekauft, und es würde einen nicht wundern, hätte der Konzern sogar mit der Guerrilla in Chiapas einen für beide Seiten ertragreichen Deal abgeschlossen. Sogar die Comandantes trinken jetzt Coca-Cola.
Chiapas ist das Gleichnis einer perfekten Warenwelt, in der ein global agierender Konzern seine sanfte Herrschaft ausübt. Vor zehn Jahren hätte mir diese Geschichte niemand geglaubt. Coca-Cola genoss als einer der größten Wasserverbraucher der Erde einen schlechten Ruf, sodass sich das Marketing entschloss, die Firma »anzugrünen«. Heute wird Coca-Cola »nachhaltig« hergestellt und so, dass die »natürlichen Ressourcen der Erde geschont werden.« Glaubt der Kunde diese frohe, grüne Botschaft der Werbeabteilung? Wohl kaum.
Also muss der Konzern sich eine Braut ins Bett holen, die der Marke neuen Glanz verleiht. 2007 schließen Coca-Cola und der WWF einen Partnerschaftsvertrag – »um gemeinsam das Trinkwasser der Erde zu schützen«. Dafür dürfen sich die Coca-Cola-Produkte von nun an mit dem Panda schmücken, ein Vertrauen stiftendes Wappentierchen, das besonders bei Kindern sehr beliebt ist. So erobert man die Kunden der Zukunft. Den Konzern kostet das Sponsoring 20 Millionen Dollar. Ein Schnäppchen, wenn man bedenkt, dass der WWF-Panda laut Marktforschung eine der glaubwürdigsten Marken der Welt ist.
Neben Geld bekommt der WWF auch die Zuneigung und Anerkennung des Big Business. Auf seiner Webseite entdecke ich einen Videoclip: Muktar Kent, der Boss von Coca-Cola, und Carter Roberts, Präsident des WWF USA, auf einer gemeinsamen Tour durch die Arktis. Man sieht die untergehende Sonne, Eisbären und jede Menge Schnee. Der WWF-Chef bekennt: »Die Partnerschaft bringt zwei der größten Marken der Welt zusammen. Die Besten und Klügsten wollen nicht nur Märkte erobern, sie wollen auch Führer sein, um die größten Probleme der Welt zu lösen. Coca-Cola war eine logische Wahl.« Der gerührte Coca-Cola-Chef im Polarpelz antwortet: »Wir arbeiten zusammen, damit auch die Generationen nach uns die wundervollen Eisbären genießen können – und den ganzen Planeten.«
Die WWF-Nomenklatura sieht sich auf Augenhöhe mit dem Jetset der globalen Unternehmen. Manager von Coca-Cola und des Gentechnikriesen Monsanto werden an der Schweizer Akademie des WWF zu »Führern des Planeten« ausgebildet, und Neville Isdell, der ehemalige Generaldirektor der Coca-Cola-Company, ist Chef der WWF-Personalkommission geworden. Er sucht das zukünftige Führungspersonal des WWF auf dem Markt und schlägt es zur Ernennung vor. Denn so etwas Altmodisches wie Wahlen gibt es beim WWF nicht.
WWF-Direktor Jason Clay verkündet der Welt, er werde mit den 100 größten Konzernen im Energie- und Ernährungssektor Verträge abschließen. Denn diese Konzerne kontrollierten die wichtigsten Rohstoffe der Erde. »Wenn die sich bessern, bessern sich alle in der Branche.« Und dass sie sich bessern, kann laut Jason Clay als sicher gelten, denn
Weitere Kostenlose Bücher