Schwarze Adler, weiße Adler
entschied der ebenfalls aus Oberschlesien stammende Torjäger Ernest Pol, er erzielte zwei Treffer beim polnischen 3:1-Sieg. Die Partie fand in Breslau (WrocÅaw) statt. Die Zeitungen beider Länder vermieden den Hinweis darauf, dass dort bereits 26 Jahre zuvor ein deutsch-polnisches Länderspiel stattgefunden hatte. Denn damals war Breslau noch deutsch gewesen, was im Ostblock ein Tabu war.
Die Wahl des Spielortes Breslau war eine politische Botschaft.
Nach dem Sieg von Breslau wussten die Polen, wo sie sich sportlich zwischen den beiden deutschen Auswahlmannschaften verorten konnten. Denn genau zwei Wochen zuvor war die DFB-Elf nach Warschau gekommen und hatte mühelos 2:0 gesiegt. Polnischer Kapitän war Ernest Pol, sein Vorbild war sein Namensvetter Ernst Willimowski, der damals allerdings offiziell nicht erwähnt werden durfte. Nach der Wende von 1989 kehrte er wieder zur ursprünglichen deutschen Schreibweise seines Namens, Ernst Pohl, zurück und zog zu seinen Angehörigen in den Schwarzwald. Heute ist das Stadion seines Clubs Górnik Zabrze nach ihm benannt.
Kaiser Franz und Karl Marx
Die Sportkontakte zwischen der DDR und der Volksrepublik Polen entwickelten sich zunächst weiter störungsfrei, bis 1971 die bundesdeutsche Nationalmannschaft als Störfaktor auftrat: Als diese nämlich am 10. Oktober bei der EM-Qualifikation die Polen in Warschau mit 3:1 besiegte, saÃen neben 2.500 eigens angereisten Bundesbürgern auch rund 6.000 Fans aus der DDR im Stadion und jubelten dem doppelten Torschützen Gerd Müller zu.
Im Zentralkomitee der SED hatte man durchaus damit gerechnet, dass einzelne DDR-Bürger nach Warschau zu dem Spiel fahren wollten, aber nicht diesen Massenansturm erwartet. Deshalb waren nur 14 Stasi-Offiziere zur Beobachtung nach Warschau abgeordnet worden. 6 Einige von ihnen postierten sich am Tag vor dem Spiel vor und in dem Hotel âEuropejskiâ, in dem die DFB-Elf Quartier bezogen hatte. Denn dort warteten auch zahlreiche Fans aus der DDR.
Als sich Helmut Schön in der Lobby zeigte, wurde er sogleich von einer Gruppe von ihnen umringt, die sich als Landsleute aus Dresden vorstellten. Die Stasi vermerkte, dass Schön âdie Lebensverhältnisse in Westdeutschland idealisiertâ und auÃerdem Eintrittskarten für das Länderspiel am folgenden Tag verteilt habe. Schön hatte sich selbst 1950 mit einem Teil der Spieler seines damaligen Clubs, des Dresdner SC, aus der DDR abgesetzt, nachdem dieser aus offenkundig politischen Gründen bei einem wichtigen Meisterschaftsspiel vom Schiedsrichter benachteiligt worden war.
Im Warschauer Stadion begannen die Stasi-Offiziere mit Unterstützung des polnischen SB (SÅuba Bezpieczestwa â Sicherheitsdienst) mit der Ãberprüfung der Zuschauer in dem für die Deutschen vorbehaltenen Block sowie Deutsch sprechender Fans in anderen Abschnitten. Sie erfassten namentlich 1.303 DDR-Bürger. Penibel notierten sie, dass einige ihrer Landsleute im Stadion Spruchbänder hissten. Auf einem hieà es: âLeipzig grüÃt Kaiser Franz u. Co.â 7 Zur Erläuterung für die vorgesetzte Dienststelle wurde in dem Stasi-Bericht hinzugefügt, dass damit der âBRD-Spieler Franz Beckenbauerâ gemeint sei. Ohne Kommentar lieÃen sie dagegen âChemnitz grüÃt die deutsche 11â. Der Satz allein musste schon als politische Provokation gelten, denn die sächsische GroÃstadt hieà ja seit 1953 offiziell âKarl-Marx-Stadtâ. Auch hätten DDR-Bürger in den Sprechchor des Klassenfeindes eingestimmt: âDeutschland, zeigâs den Polen â wir wollen den Sieg uns holen!â
Weiter hieà es in einem der Berichte, Einwohner der DDR hätten sich âdemonstrativ den westdeutschen Bürgern auf dem Weg ins Stadion angeschlossen und Plätze im Block für die BRD-Bürger eingenommenâ. Nach dem Schlusspfiff sei es dort zu Verbrüderungsszenen gekommen.
Das Zentralkomitee der SED nahm die Berichte aus Warschau so ernst, dass eine Aussprache darüber auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung kam. 8 Dabei wurden die Bezirks- und Kreisleitungen aufgefordert, MaÃnahmen gegen 204 Personen, darunter 83 SED-Mitglieder, zu ergreifen, die Sympathien für die bundesdeutsche Mannschaft gezeigt hätten, sowie gegen weitere Parteigenossen, die gegen das âpolitisch schädliche Verhaltenâ der anderen nicht
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