Schwarze Blumen auf Barnard Drei
über allen Raumfahrern zuschnappt und von der gefangen zu werden im Leben dieser Raumfahrer ein ganz gewöhnliches Ereignis ist, weil es sie alle auf die gleiche Weise trifft und weil alle Raumfahrer wissen, daß es sie irgendwann einmal treffen wird. Sie wissen auch, daß sie etwas dabei verlieren müssen: entweder die Träume von ihren Reisen oder die Träume von ihrem Schatz, dem schönsten, tapfersten, klügsten Mädchen oder Jungen, je nachdem. Aber auch Tschuk war über die fünfundzwanzig Jahre hinweg zu jung oder zu einfältig geblieben, als daß er nicht sprachlos geworden wäre vor Erstaunen, daß ihm dergleichen widerfuhr. Und er hätte aufs heftigste gestritten, wäre jemand aufgestanden, um das Einmalige, die Einzigartigkeit seines Schicksals in Frage zu stellen.
Von da an träumte er also den anderen Traum, den sibirischen von Asja Babadi, als ihn die Metro in die Richtung nach WKK transportierte, auch noch im Lift und auf den Korridoren. Aber dann fielen ihm Brandstätters linke Pfoten ein, die nicht einmal etwas so Einfaches wie die Rotpunktstellung der Bajonettkupplungen an den Solarzellen der MeteoSATS und InfoSATS zuwege brachten. Jedesmal hatten die Bajonette geklemmt und der Satellit ein schmerzliches »Au!« von sich gegeben, wenn Brandstätter die Dinger dranhielt, denn er, Tschuk, hatte für ein elektronisches Maschinchen gesorgt und für den auschreienden Schnarrer. Und er dachte an den sehenswerten Ausdruck in Brandstätters Gesicht, den diese kritischen Äußerungen der Satelliten hervorgerufen hatten, jenes verlegene, die Lücke zwischen den Schneidezähnen entblößende Lächeln.
Es gab einen Grund, warum sich Tschuk gerade jetzt dieser Dinge erinnerte, nachdem er die Tür mit dem WKK elf auf dem hundertfünfzehnten Korridor gefunden hatte. Als ob es nicht genug andere Leute gäbe auf der Welt und in diesem Haus, saß wirklich der flachshaarige Brandstätter auf einem der Wartestühle dort und sonst niemand. »Eintritt nur nach namentlichem Aufruf!« stand an der Tür. Tschuk kam gar nicht dazu, nachzudenken, wie sie erkennen konnten, wer vor ihrer Tür saß, ohnehin hatte er die Verwaltungstechnik hierorts unterschätzt.
Plötzlich schämte er sich der Idee vom aussagenden Schnarrer, mit dem er Brandstätter hatte drankriegen wollen. Er fand sie albern – Schnickschnack, Kunststückchen.
Dieses Gefühl überschwemmte sein ganzes Hirn und auch die Räume, in denen die zwei sich ausschließenden Traumsorten durcheinanderwallten.
Drin war der Mann hinter dem Tisch noch ein paar Grade grauer als der vorhergehende, und auch er bellte auf die gleiche Art den Text von der Zenitrate und dem Linerpersonal.
Tschuk antwortete ein paarmal mit Ja und nur einmal mit Nein, als ihn nämlich der Graue fragte, ob er den Auftrag annehme: Aufklärung im Raum Uranus – Saturn, Aufbau von Relaisstationen auf Titan und Phoebe, Dauer vier Jahre, ein attraktives Projekt.
»Bitte?« bellte der Graue und zog die Brauen hoch.
»Nein«, sagte Tschuk noch einmal.
»Seien Sie vernünftig!«
»So ein Unsinn!« schrie Tschuk dann zu laut und etwas am Zusammenhang vorbei.
»Die Sache ist attraktiv und hat Glanz. Die Chance ist so gut wie einmalig«, sagte der Graue auf einmal ganz sanft. »Wenn Sie wirklich ablehnen, würden wir den Auftrag Ihrem Kollegen Brandstätter anbieten.« Und mit einem gewissen Lauern in der Stimme: »Der nimmt an.«
»Das wird er«, sagte Tschuk und wandte sich, um zu gehen.
»Wie Sie wünschen«, sagte der Mann hinter dem Tisch, »Sie brauchen dann nicht mehr wiederzukommen.«
Aber das hörte Tschuk nicht mehr, die Tür war hinter ihm schon ziemlich hart ins Schloß gefallen.
Die halbe Stunde ungerechnet, die er in Nowosibirsk aufpassen mußte, um den richtigen Inlandsklipper nach Tura (Sibirien) zu erwischen, verwendete Tschuk alle Zeit und alle seine Möglichkeiten dazu, sich Gedanken zu machen über etwas, was mit dem Satz des Grauen zu tun hatte: »Seien Sie vernünftig!« Und manchmal kam es ihm so vor, wirklich schon ganz dicht dran zu sein oder schon ein bißchen drin in dem, was ihm, wie er glaubte, der Mann hatte sagen wollen. Die Überlegungen, zwei so quecksilbrig auseinanderstrebende Sachen wie die Lockungen des Kosmos und die süßen Lockungen des Mädchens Asja Babadi gemeinsam unter die Glocke der Vernunft zu bugsieren, nahmen ihn so in Anspruch, daß ihm entging, wie sehr er sich auf Asja freute und wie
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