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Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Titel: Schwarze Blumen auf Barnard Drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Leman
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war ihm so nahe, daß sie den Kopf in den Nacken legen mußte, um zu ihm hinaufzusehen, und sie lachte noch immer. Giron blickte durch die Helmscheibe der Frau hindurch in ein Gehege makelloser Zähne, er konnte sie fast alle zweiunddreißig sehen, die ganze Ausstattung dieses geöffneten, bestürzend großen Mundes. Und dann gerieten die Lippen in Bewegung mit der Behendigkeit, die er kannte und die ihn in manchen Augenblicken in Verwirrung versetzte.
      »Du hast Probleme?« fragte Ana. »Hör mal, was ist das für eine Art, die Leute anzusehen. An einem solchen Tag. Bin ich unhöflich?« Eine Sekunde lang zog sie die Brauen über der Nase zusammen. »Also«, sagte sie, als hätte sie nachgedacht, »es ergab sich für dich eine interessante Situation?«
      Giron versuchte, den Unterschied der Formulierungen zu ergründen. »Ach, Ana«, sagte er, »du hast es gut.«
      »Ja, nicht wahr«, antwortete Ana ohne Zögern. »Es ist schön an diesem Morgen und beinahe schon ein bißchen warm.« Sie lüftete die Traggurte der Sauerstoffversorgung, die für die kleine Person viel zu gewaltig aussah, und wies voraus über den Fluß zu einer Bank angeschwemmter Kiesel. »Das ist wirklich Gold?« Und sogleich fügte sie an, als sei dies die natürliche Fortsetzung ihrer Frage: »Wieso ich? Wieso habe ich es gut?«
      Giron setzte zu einer Erklärung an, er war guten Willens. Dann aber blies er die für viele Worte eingesogene Luft wieder aus. Über der Atemdüse entstand ein Wölkchen wie eine Comic-Sprechblase.
      Ana schaute dem Mann ins Gesicht. »Du hörst mir gar nicht zu, nicht wahr?« sagte sie, dann wandte sie sich von Giron ab, glitt die kurze Distanz über die rundgeschliffenen Quarzbrocken zum Ufer und sofort ins Wasser hinein.
      Der Flußarm war seicht. Das Wasser reichte Ana gerade über die Knöchel, aber es gebärdete sich wieder wild und stäubend und hüllte sie in einen Schwall von Tropfen, die mit dem Licht zu spielen begannen. Das Rot des Morgens mischte sich mit dem Grün der Schatten und der Ferne. Giron sah der jungen Frau nach. Abermals und wie ein erstes Mal wurde er dieser Welt inne, in der er hier stand. Er sah, daß sie weit und klar und offen war, erfüllt von schwebender Leichtigkeit und von Frische und Frieden. Widerwillig und mit zwiespältigen Gefühlen ergab er sich ihrer kühlen und anrührenden Schönheit.
      Ana war längst auf der Kieselbank angekommen und ruderte mit den Armen in der Luft, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Die Sonne goß Feuer über ihren gläsernen Overall, die Funken bissen in die Augen. Ana sah ungewöhnlich klein aus, Giron erblickte sie scharf und wie ein Insekt, es schien kaum eine Distanz zu geben zwischen ihr und ihm, der Wind hatte den Schwall Nebels davongetragen, die Luft war unglaubwürdig klar. Ana schrie, und Giron glaubte zu verstehen, daß sie an irgend etwas zweifle. Da fiel ihm das Gold ein. Vor kaum einer halben Stunde hatte er im Fluß da und dort fußhohe Halden aus Goldkörnern gesehen, die sich über zwanzig, dreißig Meter hinzogen. Ja! schrie er, es sei Gold, auch Platin sei da, gediegenes Platin, mit anderen Platinmetallen legiert und mit Kupfer. Nein, er irre nicht. Sie möge Blicher fragen. Ob sie auch Blichers Sachkunde mißtraue?
      Es erwies sich als schwierig, all das über die Weite von kaum einem Steinwurf hinweg mitzuteilen. Die Luftfilter verhinderten allzu großes Geschrei. Ana gab das Fuchteln nicht auf. Sie hielt einen großen Brocken in der Hand. »Nein! Es ist nicht zu leicht!« schrie Giron geduldig zurück. Und dann rief er etwas von null Komma zwei g und vier Gramm spezifischer Masse, ungefähr.
      Anas Wissensdurst schien gestillt, vielleicht wurde sie auch nur von ihrer Stimme im Stich gelassen. Salman Giron sah zu, wie sie mit den Händen in der Halde grub und gar ihre Arme im Gold badete. Dann richtete sich die Frau auf, sie trug so viele Metallkörner, wie ihre zusammengelegten Hände halten konnten. Mit einer geschmeidigen Bewegung schleuderte sie die Beute weit in den Fluß, und dann breitete sie die Arme zu einer weltumspannenden Gebärde aus oder nur um darzutun, daß sie glücklich sei.

    2.

    Jan Blicher wartete inmitten von Bauteilen, die unweit der Station auf einer der großen schwarzen Schieferplatten umherlagen, mit übriggebliebenen Rippen eines Containers, einem Turm von Reifen, einem Puzzle, das sich zu irgendwelchem Fahrzeug zusammensetzen ließ.
      »Also was ist?« fragte sein

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