Schwarze Dynastie
an einem vorbei, und plötzlich lief man wegen diesem und jenem zum Arzt. Da erzählten sie einem dann, man müsse sich den Kehlkopf herausschneiden lassen, sonst sterbe man. Und was blieb einem vom Leben? Man war eine Nummer, hatte einen Reisepaß, ein Ratenbuch des Kreditinstituts, einen Haufen Zeug, das einem aufgeschwatzt worden war, einen Job, der einem wie ein Klotz am Bein hing. Und dafür hatten Regan und Falcaro gekämpft?
Er briet ein paar tiefgefrorene Hamburger und aß sie mechanisch. Dann ging er hinunter in die Taverne. Es lag ihm nichts am Trinken und nichts am Wetten, doch er mußte sich sehen lassen, um gut angeschrieben zu sein.
Ein paar Minuten stand er vor der Taverne, dann wandte er sich ab und ging in die Dunkelheit der Nacht hinein, weg von den Lichtern, weg von der Stadt. Er wußte nicht, was ihn dazu trieb. Aber er hatte Sehnsucht danach, wieder einmal auf den Dünen zu stehen und über den dunklen See zu schauen. Vielleicht war das doch ein bißchen tröstlich.
Eine halbe Stunde brauchte er zum Wald, dann kamen die Büsche, das Gras und der weiße Sand. Und dort fand er zwei Leute liegen – einen Mann, der so hart und dunkel aussah, als sei er aus Eichenholz geschnitzt, und eine Frau, die so weiß und schmal und zart war wie Elfenbein.
Vor der Frau empfand er Scheu, deshalb wandte er sich an den Mann. »Kann ich etwas für Sie tun?« fragte er.
»Sie lassen uns besser in Ruhe«, antwortete der Mann mühsam. »Wir würden Ihnen nur Schwierigkeiten verursachen.«
»Schwierigkeiten?« meinte Oliver lachend, und in ihm wallte wieder die Bitterkeit auf. »Was sind schon Schwierigkeiten?«
Der Mann musterte ihn. »Sie gehen besser wieder und reden kein Wort über uns«, bat er schließlich. »Wir sind Mob-Feinde.«
»Das bin ich auch«, antwortete Oliver nach kurzer Pause. »Ich gehe jetzt und komme mit Kleidern zurück. Warten Sie hier. Ich bringe auch Essen für Sie und die Dame, und dann kommen Sie mit in meine Wohnung. Ich bin auch ein Feind der Mobsters. Ich wußte es nur bis jetzt nicht.«
Er ging ein paar Schritte und kam noch einmal zurück. »Sie gehen doch nicht weg? Ich meine es ernst. Ich will Ihnen helfen. Mir selbst scheine ich ja nicht helfen zu können, aber vielleicht ist doch etwas ...«
»Nein, wir gehen nicht weg«, versicherte ihm der Mann müde.
Seltsam, wie die Föhren heute rochen ... Er war schon fast zu Hause, bis es ihm einfiel: Es war Ölrauch, der zwischen den Bäumen hing.
19.
»Ich kann durchaus aufstehen, wenn ich will«, sagte Lee.
»Du bleibst liegen, ob du willst oder nicht«, bestimmte Charles. »Du bist krank.«
»Ich bin schlechter Laune und ungeduldig, und das heißt, daß ich auf dem Weg der Besserung bin. Frag doch andere Leute«, antwortete sie.
Sie stand auf und wickelte sich in Olivers Morgenrock. »Ich bin schon wieder hungrig«, stellte sie fest.
»Er wird bald kommen. Aber weg vom Fenster«, warnte er scharf.
Sie duckte sich und fluchte wieder, diesmal auf sich selbst. »Das nützt uns verdammt viel, wenn mich jemand gesehen hat.«
Oliver kam mit Paketen beladen. Lee küßte ihn auf die Wange, und er lachte schüchtern. »Forellen«, flüsterte er und lief damit zur Kochnische.
»Der Weg zu Lee Falcaros Herzen«, stellte Charles fest. »Wie geht es deinem Hals, Kel?«
»Keine Schmerzen heute«, wisperte Oliver. »Latham sagt, ich darf reden, soviel ich will, und ich habe viel zu reden.« Er machte seinen Mantel auf und zog ein flaches Päckchen heraus. »In der Fabrik geklaut. Pinsel, Federn, Tinte, Zeicheninstrumente und so Zeug. Meine Freunde, ihr werdet stilvoll in das Syndikats-Territorium zurückkehren – mit Paß, Reiseerlaubnissen und so weiter.«
»Kannst du wirklich Pässe fälschen?« wollte Lee wissen.
»Acht Jahre Kunstakademie in Chicago, drei Jahre bei Original Reproductions, Inc., elf Jahre bei Picasso Oils, wo ich jetzt in der Blauen Abteilung arbeite. Ich glaube, ihr könnt mir vertrauen.«
»Kel, wir vertrauen dir, und ich habe dich sehr gern. Ginge es nicht um den Altersunterschied bei euch, dann würde ich dich und Charles heiraten. Halt, der Fisch!«
»Man beruhigt sich allmählich wieder«, berichtete Kel dann, denn er konnte nie lange sprechen. »Verhaftet wurde heute niemand. Jemand hat mir gesagt, man sei der Meinung, das Schiff sei vielleicht in einem Sturm oder sonstwie beschädigt worden, weil jemand einen Pfusch gemacht hat, und da muß Regan wohl vielleicht bei einem Streit umgekommen
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