Schwarze Engel
was ist hier eigentlich los?«
»Harry, was machst du denn hier?«
»Irving wollte uns hier haben. Alle drei.«
»Scheiße. Tut mir leid, Partner, das würde ich nicht mal meinem schlimmsten Feind wünschen.«
»Wieso, was ist –«
»Sprich lieber erst mit dem Boß. Er hält den großen Deckel auf die ganze Sache.«
Bosch zögerte. Sheehan wirkte ziemlich angeschlagen, aber Bosch hatte ihn schon Monate nicht mehr gesehen. Er hatte keine Ahnung, woher die dunklen Ringe unter seinen Spürhundaugen kamen und wann sie in sein Gesicht gegraben worden waren. Einen Moment mußte Bosch an sein eigenes Gesicht denken, das er vor kurzem im Fenster gespiegelt gesehen hatte.
»Und wie geht’s dir sonst, Francis?«
»Könnte gar nicht besser sein.«
»Okay, wir unterhalten uns später.«
Bosch kehrte wieder zu Edgar und Rider zurück, die neben dem Wagen stehengeblieben waren. Edgar deutete mit dem Kopf auf eine Stelle links von Bosch.
»Hast du schon gesehen, Harry?« fragte er leise. »Da drüben sind Sustain Chastain und seine Truppe. Was machen diese Wichser hier?«
Bosch drehte sich um und sah die Männer von der Internal Affairs Division, der Dienstaufsicht.
»Keine Ahnung.«
Chastain und Bosch sahen sich kurz an, aber Bosch wandte den Blick rasch wieder ab. Es wäre pure Energieverschwendung gewesen, sich über den IAD-Mann aufzuregen. Statt dessen konzentrierte er sich verstärkt darauf, sich einen Reim auf das Ganze zu machen. Er hatte alle Antennen ausgefahren. Die vielen RHD-Bullen, die Typen von der Dienstaufsicht, ein Deputy Chief am Tatort – er mußte herausfinden, was hier los war.
Mit Edgar und Rider im Schlepptau arbeitete sich Bosch zu dem Seilbahnwagen durch. In seinem Innern waren mehrere Scheinwerfer aufgestellt, und er war beleuchtet wie ein Wohnzimmer. Außerdem machten sich zwei Männer von der Spurensicherung darin zu schaffen. Daraus schloß Bosch, daß er ziemlich spät am Tatort eintraf. Die Spurensicherung kam immer erst dran, wenn die Gerichtsmediziner fertig waren – wenn die Opfer für tot erklärt und die Leichen in ihrer ursprünglichen Lage fotografiert und nach Wunden, Waffen und Papieren abgesucht waren.
Bosch trat auf das hintere Ende des Wagens zu und sah durch die offene Tür. Die Männer von der Spurensicherung machten sich in der Umgebung der zwei Leichen zu schaffen. Auf einem der Sitze etwa in der Mitte des stufenförmig abfallenden Wagens lag eine Frau. Sie trug graue Leggins und ein langes weißes T-Shirt. Mitten auf ihrer Brust, wo sie von einer einzigen Kugel getroffen worden war, war eine große Blume aus Blut erblüht. Ihr Kopf war auf das Fensterbrett hinter ihrem Sitz zurückgesunken. Sie hatte schwarzes Haar und ein dunkelhäutiges Gesicht, das eindeutig auf eine Herkunft irgendwo südlich der Grenze hindeutete. Auf dem Platz neben ihr lag eine Plastiktüte, in der sich außer einer zusammengefalteten Zeitung, die ein Stück daraus hervorstand, noch alle möglichen anderen Dinge befanden, die Bosch nicht sehen konnte.
Auf den Stufen an der hinteren Tür des Wagens lag mit dem Gesicht nach unten ein Schwarzer in einem dunkelgrauen Anzug. Von da, wo er stand, konnte Bosch das Gesicht des Mannes nicht erkennen, und es war nur eine Wunde zu sehen – ein glatter Durchschuß in der rechten Hand des Toten. Bosch wußte, er würde später im Obduktionsbefund als Abwehrverletzung bezeichnet werden. Der Mann hatte in dem vergeblichen Versuch, die Kugel abzuwehren, die Hand hochgehalten. So etwas hatte Bosch im Lauf der Jahre immer wieder gesehen, und es ließ ihn jedesmal an die verzweifelten Handlungen denken, zu denen Menschen am Ende Zuflucht nahmen. Eine Hand hochzuhalten, um eine Kugel abzuwehren, war eine der verzweifeltsten.
Obwohl die Männer von der Spurensicherung ständig durch sein Blickfeld gingen, konnte Bosch durch den am Hang stehenden Wagen das Gleis entlang bis zur etwa hundert Meter tiefer liegenden Hill Street hinabsehen, wo ein zweiter Seilbahnwagen stand. An der Sperre der Talstation und vor den geschlossenen Eingangstoren des Grand Central Market auf der anderen Straßenseite waren weitere Detectives zugange.
Bosch war als Junge mit der Seilbahn gefahren und wußte deshalb, wie sie funktionierte. Er konnte sich noch gut daran erinnern. Der jeweils obere Wagen zog, wenn er nach unten fuhr, den unteren Wagen mit seinem Gewicht nach oben. Dabei passierten sich die zwei Wagen genau auf der Mitte der Strecke. Als er als Kind mit Angels Flight
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