Schwarze Schmetterlinge
Wochenende nach Söderhamn fahren. Maria drückte sich an die Hauswand und rief auf dem Handy beim diensthabenden Beamten an. Er versprach, dass sie in fünfundzwanzig Minuten vor Ort sein würden.
Wieder hörte Maria das Geräusch von splitternden Glasscheiben, dann zeigte der Schein einer starken Taschenlampe, dass die fremde Frau das Haus jetzt verlassen hatte. Maria suchte nach einem geeigneten Versteck. Wie ein weißes Tuch lag der Schnee da. Jeder Schritt hinterließ einen deutlichen Abdruck, anhand dessen man ihren Weg verfolgen konnte. Wenn sie es schaffte, sich fünfundzwanzig Minuten lang zu verstecken, dann wäre sie gerettet. Hinter dem Schuppen der Nachbarn verlief ein von Beerensträuchern gesäumter Weg zum Bootshaus hinunter. Da waren Fußspuren im Schnee. Menschliche Spuren. Jemand war den Weg zum Bootshaus gegangen. Große Spuren. Jemand, den man um Hilfe bitten konnte.
Maria sah sich um und registrierte, wie sich der Lichtkegel von der Taschenlampe dem Auto näherte. Sie rannte den verschneiten Weg zum Bootshaus hinunter. Im Notfall konnte sie sich wenigstens mit dem Außenborder in bewohnte Gegenden bringen. Obwohl es in der letzten Woche unter null gewesen war, war das Wasser immer noch offen. Die Luft war eisig kalt. Die Spuren führten ins Bootshaus. Drinnen wagte sie nicht, Licht zu machen. Es roch nach Benzin.
Hinterher fiel es ihr schwer zu begreifen, warum sie nicht gleich darauf reagiert hatte, warum sie nicht weggelaufen war, ehe es zu spät war. Vielleicht hätte sie dann das vermeiden können, was sie für den Rest ihres Lebens in ihren Albträumen verfolgen sollte. Schritt für Schritt tastete sich Maria in der vertrauten Umgebung voran. Ihre Hände befühlten die Außenkante des Bootes, bewegten sich an der Wand des Bootshauses entlang, um die Türen zum Meer zu öffnen. Sie waren zu. Vielleicht waren sie in der Feuchtigkeit aufgequollen. Sie drückte fester. Der scharfe Geruch von Zigarettenrauch zog ihr in die Nase. Maria drehte sich um.
Zwei, drei Meter entfernt, in der Dunkelheit ließ sich die Entfernung nur schwer abschätzen, leuchtete ein kleiner rotglühender Punkt. Eine brennende Zigarette. Maria stand ganz still. Das Geräusch von Füßen, die langsam über den Betonfußboden rutschten, erfüllte den Raum. Der leuchtende Punkt bewegte sich in schnörkeligen Mustern, formte Buchstaben. Maria versuchte, die Symbole zu verfolgen, aber sie waren offensichtlich spiegelverkehrt. Wenn es sich überhaupt um begreifbare Zeichen handelte. Vorsichtig bewegte sie ihren einen Fuß und machte damit ein leise kratzendes Geräusch.
»Da bist du also.« Die Kippe flog durch die Luft und landete ein Stück entfernt. Eine Sekunde verging, dann erleuchtete ein Meer aus Feuer ein fremdes Frauengesicht. Die Gestalt verschwand in der Dunkelheit, eine Tür wurde geöffnet, ein Schlüssel herumgedreht. Alles ging sehr schnell. Maria versuchte, Kontrolle über ihre Gedanken zu gewinnen, sie zu sammeln und zu konzentrieren. Das Feuer leckte an den Wänden hoch und flog zum Dach hinauf. Die Hitze war noch auszuhalten, aber der Rauch war erstickend. Selbst wenn sie sich ins Boot legte oder sogar in das eiskalte Wasser, würde der Rauch sie am Ende umbringen. Draußen war eine bewaffnete Feindin. Sie würde sicherlich damit warten, mit der Dienstwaffe zu schießen. Die Munition konnte aufgespart werden.
»Was willst du damit erreichen?«, rief Maria, war aber nicht sicher, ob ihre Stimme das Knistern des Feuers übertönte. Sie hockte sich neben die Wasserrinne und sah auf die Uhr. Noch zwanzig Minuten, bis die Polizei hier sein würde. Sie tastete in ihrer Jackentasche nach dem Handy und merkte, dass sie es auf dem Weg zum Bootshaus verloren hatte. Verdammt! Sie schaute zu den Dachbalken hinauf. Wie lange würde es dauern, bis sie wie tödliche Kloben herunterfielen? Wie lange würde es dauern, bis der Rauch sie ersticken würde?
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Wie in Trance kehrte Per vom Treffen mit Eva Bäckström zum Haus seiner Eltern in Kronviken zurück. Die Apfelbäume streckten ihre nackten Äste gegen den dunkelgrauen Himmel. Die Schneebeeren leuchteten seltsam weiß auf den nackten Zweigen. Per Arvdisson stand still und betrachtete das alles, während ihm das Leben wie ein Strom sinnloser Zeit durch die Finger rann. Er nahm die Post aus dem überfüllten Briefkasten und legte sie auf den Küchentisch, aber er schaffte es nicht, sie zu sortieren, ebenso wenig, wie er es geschafft hatte, die Abonnements all der
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