Schwarze Schmetterlinge
zahlreichen Zeitungen, die der Vater seit Jahrzehnten abonniert hatte, zu kündigen.
Wie hatte er auch nur einen Moment lang glauben können, dass Felicia diese schrecklichen Mordbrände begangen haben könnte? Er wusste es nicht. Er nahm das Handy, um Lena Ohlsson anzurufen. »Der Teilnehmer ist vorübergehend nicht erreichbar«, sagte eine Frauenstimme vom Band. Vielleicht war sie wieder unterwegs und suchte nach ihrer Schwester. Was für ein seltsames Leben sie doch lebten, Lena und ihre Schwester. Per konnte Paula vor sich sehen, die kleinen Augen, die ihn misstrauisch betrachteten. Lena hatte versprochen, sich um ihre Schwester zu kümmern. Sie darf so lange bei mir wohnen, wie sie will. Sie hatte ihrer Mutter versprochen, die Verantwortung für sie zu übernehmen. Wie kann man einem jungen Mädchen ein derartiges Versprechen abnehmen?
Per beschloss, heiß zu duschen. Die Narben an den Waden, die er als Kind von einer Brandverletzung zurückbehalten hatte, an die er sich aber nicht erinnern konnte, schmerzten. Sicherlich würde das Wetter umschlagen. Das heiße Wasser streichelte seinen Körper wie eine tröstende Hand und ließ die Haut auf den Beinen flammend rot werden. Britt hatte die Verletzungen damit erklärt, dass er sich im Alter von zwei Jahren heiße Schokolade übergegossen habe. Folke sagte, er habe zu nahe am Walpurgisfeuer gestanden, und seine Hosenbeine hätten angefangen zu brennen. Er selbst hatte offenes Feuer immer als erschreckend und bedrohlich empfunden. Noch als Neunjährigem war es ihm schwergefallen, mit einer Streichholzschachtel umzugehen. Nun würde er nie mehr erfahren, wie es sich eigentlich mit den Brandnarben verhielt, die er an den Beinen hatte. Einer von seinen Eltern hatte die Unwahrheit gesagt.
Als Folkes Beerdigung geregelt werden sollte und man die Entscheidung zwischen Erdbegräbnis und Feuerbestattung treffen musste, hatte Per starke Vorbehalte gegen eine Feuerbestattung gehabt. Allein beim Gedanken daran, dass Folkes Körper in Flammen aufgehen würde, hatte er überreagiert. Vielleicht hatten ihm Britts ständige Ermahnungen den Spaß am Feuer genommen.
In Folkes gestreiftem Bademantel machte er sich eine Tasse Schokolade und nahm seine Dokumententasche mit den wenigen Dingen, die Helen hinterlassen hatte, zur Hand. Ein paar alte Schellackplatten, Briefe, Fotos, bezahlte Rechnungen und eine Taufurkunde. Ganz unten am Rand stand ein Bibelzitat, das nachzuschlagen er sich noch nicht die Zeit genommen hatte. Erstes Buch der Könige, 3,16-28. Er stand auf, ging zum Bücherregal, holte die Familienbibel und las den Text über Salomo, der mit seinem Schwert bereitstand, um ein Kind in zwei gleiche Teile zu teilen. Zwei Mütter und ein Kind – wer war die wahre Mutter? Eine der Frauen flehte den großen Richter an, lieber der anderen Mutter das Kind zu geben, als ihm etwas anzutun. Was hatte Helen damit sagen wollen? Bedeutete es, dass Helen lieber ihre Kinder weggab, als sie zu behalten und ihnen dadurch Schaden zuzufügen? War das der Sinn des Textes auf seiner Taufurkunde? Vielleicht stand dieselbe Botschaft hinter der Bleistiftzeichnung von der Gerichtsszene. Ein Flehen um Verständnis – wenn auch auf kryptische Weise. Beurteile mich gerecht.
Per begann, die ihm nachgeschickte Post zu sortieren. Eingeschweißte Kataloge, eine Karte vom Urlaub in Thailand, aus dem Ek schon vor zwei Wochen zurückgekommen war, eine Ausgabe des Orchesterjournals und ein Umschlag vom Fotoatelier Wasa. Er hatte fast vergessen, dass er dort etwas bestellt hatte.
Es war gar nicht so einfach, Abzüge von Bildern aus den Sechzigerjahren zu bekommen, im günstigsten Fall waren die Negative im Landesmuseum gelagert, hatte der Fotograf ihm gesagt. Per öffnete den Umschlag und nahm das Bild heraus. Jetzt war es vollständig. Helen in ihrem langen Kleid und neben ihr der Mann, dessen Hand sie in ihrer hielt. Irgendetwas an ihm kam ihm bekannt vor. Der Gesichtsausdruck. Die Narbe am einen Auge. Das geteilte Kinn.
Per nahm sich den Stapel Zeitungen vor, der auf der Kühltruhe in der Küche lag. Blätterte sie mit vor Schweiß klebenden Fingern durch. Da, eine Reportage mit Bildern von Frank Leander. Helen hatte Frank Leander also gekannt. Mehr als das. Sie waren ein Paar gewesen. Als die Bilder nebeneinander lagen, gab es keinen Zweifel mehr, auch wenn die Jahre ihre Spuren hinterlassen hatten. Der Mann auf dem Foto war Frank Leander.
Per spürte ein Schaudern, als er zum Spiegel ging und sein
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