Schwarze Schmetterlinge
zugeteilt, und er konnte erst einmal aufatmen. Was machte denn die Blaubeermütze hier? Er erinnerte sich nur schwach, dass sie für eine Putzfirma arbeitete, andere Erinnerungen waren dafür umso stärker. Er schob den Gedanken weg und versuchte, sich auf das Verhör einer jungen Konferenzteilnehmerin zu konzentrieren, die sich im Flur befunden hatte, als sie plötzlich eine laute Explosion gehört hatte.
Er prüfte ihre Personendaten und stellte die einleitende Frage: »Waren außer Ihnen noch andere Leute im Flur?«
»Eine dunkel gekleidete Person lief aus einem der Gruppenräume und dann in eine Tür auf der anderen Seite des Flures. Schwer zu sagen, ob es ein Mann oder eine Frau war. Ein kleiner Mann oder eine große Frau.«
Arvidsson bat sie, ihm auf einem provisorischen Lageplan des Kongresszentrums den Ort des Geschehens zu zeigen. In ihrem aufgeregten Zustand fiel es ihr schwer, sich auf dem Plan zu orientieren. Gemeinsam rekonstruierten sie, aus welchem Raum die dunkel gekleidete Person gekommen sein musste. Vom Ende des Flurs führte laut der Zeichnung eine Feuertreppe zum Parkhaus Süd.
»Ich merkte, dass es nach Feuer roch, und dann kam mir auch schon der Rauch entgegen. Ich erwischte eine Putzfrau, die mir half, zum Eingang zurückzufinden. Es war so viel Rauch überall, dass man nichts mehr sehen konnte. Ein Mann, der unbedingt noch mal zurückwollte, weil er seine Aktentasche im Vortragssaal vergessen hatte, hat mich umgerannt. Der hat vermutlich nicht kapiert, wie ernst die Lage war.«
Arvidsson ließ die Videokamera über die Menschenmenge und die Zeugen, die im angrenzenden Bibliotheksgebäude versammelt waren, gleiten. Dann filmte er weiter durch den Eingang vom Conventum und hinauf zur Rezeption. Der Rauch hing wie eine dicke schwarze Decke in den Räumen.
Nach weiteren zwei Stunden war der Brand unter Kontrolle. Im Raum, der mithilfe der Zeugenaussage der jungen Frau als Ursprungsort des Brandes identifiziert worden war, fand man die verbrannten Überreste eines Menschen, der vornüber zu Boden gefallen war. Das Auge der Kamera fuhr durch den Raum. Durch die Überhitzung hatte sich das Dach fast zehn Zentimeter gehoben, Gipsplatten hatten sich gelöst und waren herabgefallen. Von den Gardinen war nichts mehr übrig, nur noch der Korpus des heruntergebrannten Sessels und das Bündel eines menschlichen Körpers auf dem Boden. Auf den ersten Blick konnte man nicht sagen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte. Eine erste vorsichtige Einschätzung der Rettungsleitung vor Ort lautete, dass es sich um Brandstiftung handele. Die starke Brandentwicklung sowie andere Funde unterstützten diese Hypothese. Doch es würde noch weitere Wochen, vielleicht Monate Arbeit erfordern, bis die Ermittlungen zu den Akten gelegt werden könnten.
Kurz vor zehn Uhr abends, bevor die nächtlichen Patrouillen begannen, versammelte sich die Polizei im Konferenzraum zu einer Besprechung. Das Studio und der besagte Gruppenraum zogen die besondere Aufmerksamkeit auf sich. Normalerweise war die Holzklappe im Fußboden des Studios mit einem Teppich bedeckt. Nach Aussage der Putzfrau, die man verhört hatte und die auch bestätigen konnte, dass sie der Hauptzeugin bis zur Rezeption geholfen hatte, verhielt sich das immer so. Als die Polizei an den Ort kam, war die Holzklappe jedoch geöffnet und die Treppe nach unten sichtbar gewesen. Der Teppich hatte nachlässig zusammengeschoben neben dem Niedergang gelegen. Direkt vor der Tür zum Parkhaus Süd hatte man einen leeren Plastikkanister gefunden, der offenbar Benzin enthalten hatte. Wenn das so war, dann hatte die Geheimtreppe höchstwahrscheinlich dem Brandstifter als Fluchtweg gedient.
Bis zu den Nachrichtensendungen um zehn Uhr desselben Abends hatte man sich entschieden, die Identität des Opfers zunächst nicht preiszugeben. Es war ein Mann. Die Gesichtshälfte, die durch den Kontakt mit dem Fußboden geschützt gewesen war, war so gut wie unversehrt, die andere war nicht mehr vorhanden. Die Brieftasche, die er in der Innentasche des Jacketts trug, war noch erhalten. Hier fand man die Identitätsnachweise, die Telefonnummern der nächsten Angehörigen und den Organspenderausweis – unter den gegebenen Umständen ein wenig makaber, dachte Arvidsson. Es handelte sich bei dem Verstorbenen mit größter Wahrscheinlichkeit, um den Professor Emeritus Frank Leander. Früher in der Kinderpsychiatrie tätig und Verfasser von zahlreichen Forschungsarbeiten. Die
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