Schwarze Schmetterlinge
Polizei hatte kurz vor der Ausstrahlung der Abendnachrichten Kontakt zu seiner Ehefrau bekommen. Eine Reihe von Fotos vom Brandort wurde herumgereicht. Die gerichtsmedizinische Obduktion der Leiche würde weitere Hinweise geben, ebenso die Zahnkarte. Da man noch auf gesicherte Informationen wartete, musste die Benachrichtigung der Medien zunächst aufgeschoben werden.
Hingegen hatten die Ermittlungen des Brandes im Putzraum des Universitätskrankenhauses neue Ergebnisse erbracht. Die Zahl der Toten war jetzt auf drei angestiegen. Ein älterer Mann, der sich in der Notaufnahme direkt vor dem Desinfektionsraum, in dem der Brand ausgebrochen war, befunden hatte, war nach Hause gefahren, anstatt die Gesundheitszentrale aufzusuchen, wie man ihm geraten hatte, da er dem giftigen Rauch ausgesetzt gewesen war. Im Lauf der Nacht war er, noch ehe der Notarzt kommen konnte, an einem Lungenödem gestorben.
»Konnte Jenny Nygren jemanden auf den Videofilmen identifizieren?«
»Sie hat eine Freundin wiedererkannt, die auf der Intensivstation arbeitet, konnte aber nicht sicher sagen, ob jemand der Frau aus dem Stadtpark ähnelte. Es war ja dunkel gewesen, und sie hatte nach der Misshandlung einen Schock.«
Arvidsson hörte sich mit einem gewissen Ekel das erste Protokoll von der Obduktion der Schwesternschülerin Mirjam Wide an, die bei dem Brand im Krankenhaus ums Leben gekommen war. Der Rauch, den sie eingeatmet hatte, hatte wahrscheinlich eine Temperatur von fünfhundert Grad oder mehr gehabt. Die Verletzungen der Atemwege waren detailliert beschrieben. Ein Atemzug, und sie war zum Tod verurteilt gewesen. Es war fast Mitternacht, ehe Arvidsson seinen Bericht geschrieben hatte und das Polizeigebäude verlassen konnte.
Er sah ihre Silhouette in der Nachtbeleuchtung des Zeitungskiosks vor dem Hochhaus, in dem er wohnte. Es gab keinen Zweifel. Bella wartete auf ihn. Das helle Haar fiel ihr in silbernen Schlingen über die Schultern. Mit Capri-Jeans und hohen schwarzen Lackstiefeln marschierte sie vor der Tür auf und ab. Per zitterte innerlich vor Erschöpfung. Warum konnte sie ihn nicht einfach in Ruhe lassen? Wenn er sich schnell zwischen die parkenden Autos hockte, würde er ihr entkommen. Nein, das war doch absurd.
»Jetzt weiß ich, wo du arbeitest«, sagte Bella. »Ich habe dich heute gesehen.«
»Was willst du von mir?« Er suchte nach seinem Schlüssel in der Tasche und fing an, mit dem Schloss zu kämpfen.
»Ich weiß vielleicht was, was du nicht weißt.« Bellas Zungenspitze spielte in ihrem Mundwinkel.
»Gut möglich.« Er öffnete die Tür. Sie drängelte sich vor ihn und warf sich ihm an die Brust. »Hör jetzt auf, Bella.« Er packte sie härter, als er vorgehabt hatte, am Arm.
»Wenn ich mit raufkommen kann, dann könnte ich dir vielleicht was erzählen. Etwas, was ich deiner Kollegin Lena Ohlsson nicht gesagt habe. Ich habe ihre Visitenkarte in meiner Handtasche. Aber ich will mit dir reden. Nur mit dir.«
»Es wird sicher in den nächsten Tagen ein Ermittler mit dir Kontakt aufnehmen. Ich denke, du solltest jetzt nach Hause gehen.« Arvidsson dachte an Felicia, die bestimmt da oben in der Wohnung schlief. Erschöpft von der Arbeit, nachdem sie die Patienten, die dem Rauch ausgesetzt gewesen waren, in der Notaufnahme behandelt hatte. Bestimmt hatte sie viele Überstunden machen müssen. Morgen um acht Uhr musste sie wieder vor Ort sein, klar im Kopf, gut funktionierend und voller Anteilnahme. Er musste Bella loswerden, und zwar schnell. »Ich rufe dich morgen auf dem Handy an«, sagte Bella. »Lena Ohlsson hat gesagt, dass ihr freihabt. Dann könnten wir ja im Pizza-Planet was zu Mittag essen. Wenn du versprichst, dass wir uns da sehen, lasse ich dich heute Abend in Ruhe.«
Er versprach es, obwohl tausend Alarmglocken läuteten, er versprach es, weil er so erschöpft war und die Sehnsucht nach Felicia ihn zu einem leichten Opfer machte.
Als Per Arvidsson dann dastand und die schlafende Felicia betrachtete, vergaß er alles. Sie sah aus wie ein kleines Kind, ein kleines Schulmädchen, wie sie mit dem Gesicht in der Armbeuge dalag und schlief. Eine große Zärtlichkeit überkam ihn, ein so starkes Gefühl, dass er ganz davon erfüllt war, von der Größe des Moments und dem seltsamen Geschick, das dieses wunderbare Geschöpf in sein Bett geführt hatte. Sie bewegte sich ein wenig im Schlaf. Er widerstand dem Impuls, ihre Wange zu streicheln. Plötzlich schlug sie die Augen auf, und starrte ihn
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