Schwarze Seide, roter Samt
mindestens zehn Zentimeter Länge. Allein bei dem Gedanken,
damit über steinige Wege und durch hohes Gras laufen zu müssen,
schauderte es sie, aber auch hier hatte sie keine Wahl. Sie
verließ das Haus und stand in der warmen, dunklen Nacht, zum
erstenmal seit langem in Freiheit. Sollte sie hinter sich zusperren?
Sie hätte sich sicherer gefühlt, aber wenn sie zuschloß, hatte
Marco nicht die geringste Chance, herauszukommen. Die Küchentür
würde er nach einigen Anläufen kleinkriegen, sie bestand
nur aus einer dünnen Sperrholzplatte, aber für die Haustür hätte
er einen Panzer gebraucht. Nach einigem Zögern ließ sie die Tür
offen.
Ihre Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt. Sie erkannte
den schmalen Feldweg, auf dem Marcos Auto jeden Morgen
verschwunden war. Rechts und links wiegte sich Steppengras im
sanften Wind. Ein Sternenhimmel von einzigartiger Schönheit
wölbte sich über der stillen schwarzen Landschaft. Afrika
es
hätte so schön sein können. Stattdessen lief Marion wie gehetzt
los, betend, daß Marco nicht zu früh erwachte.
Kapitel 11
Die Sonne ging auf, und es wurde sofort sehr heiß. Marion
trottete noch immer über einen Feldweg, ohne daß weit
und breit etwas in Sicht kam, das auch nur entfernt an eine
menschliche Behausung erinnert hätte. Graswüste, wohin man
blickte. Hätte sie nicht längst in Marrakesch sein müssen, wenn
das der richtige Weg war? Die Nachtluft, von Marion im ersten
Moment nach ihrer Flucht als angenehm kühl empfunden, hatte
sich schon kurz darauf als empfindlich kalt erwiesen. Und nun
brannte die Sonne erbarmungslos, und Marion war schon rasch
in Schweiß gebadet. Sie verspürte heftigen Durst. Außerdem
schmerzte noch immer ihr ganzer Kiefer von Marcos Schlag, und
ihre Lippen fühlten sich geschwollen und heiß an. Sie hätte ein
Jahr ihres Lebens für einen Schluck Wasser gegeben. Von ihren
Schuhen es waren die roten, die Marco ihr in seinem Rot-
Rausch mitgebracht hatte hatte sie längst die Absätze abgebrochen.
Trotzdem schmerzten ihre Füße. Ein Blick hatte ihr gezeigt,
daß sich schon Blasen zu bilden begannen. Noch eine
Stunde, und sie würde bei jedem Schritt schreien. Sie saß gerade
auf einem Felsen am Wegrand, ruhte sich aus und fragte sich,
womit sie das alles verdient hatte, als sie in der Ferne das Geräusch
eines Motors vernahm. Eine Staubwolke zeigte ihr, daß
ein Auto offenbar direkt auf sie zukam. In erster Panik dachte
sie: Marco! Aber dann begriff sie, daß es sich nicht um Marcos
Wagen handeln konnte, denn dieser hier dröhnte viel zu laut. Ein
Lastwagen oder etwas ähnliches mußte es sein. Sie stellte sich in
die Mitte des Weges und winkte mit beiden Armen.
Der Fahrer des Wagens es handelte sich um einen etwas altersschwachen
Jeep trat voll in die Bremse, als er das junge
Mädchen mitten auf dem Weg stehen sah. Es war ein äußerst
erfreulicher Anblick, der sich ihm bot: Langes hellblondes Haar,
ein dunkler Pullover, unter dem sich volle Brüste ahnen ließen,
ein hautenger schwarzer Leder-Minirock, schwarze Strümpfe und
knallrote Schuhe. Letztere allerdings schienen etwas derangiert.
Das Mädchen hängte sich förmlich an den Wagen und steckte
den Kopf zum Seitenfenster hinein. »Bitte«, fragte es atemlos und
in mäßigem Englisch, »fahren Sie nach Marrakesch?«
»Ja.« Er antwortete in gutem Englisch. »Möchtest du da etwa
auch hin?«
»Würden Sie mich mitnehmen?« Weit aufgerissene blaue Augen.
Er stand auf die blauen Augen der Europäerinnen. Und auf
blonde Haare. Besonders, wenn sie lang herabfielen. Er sagte
sich, daß heute offenbar sein Glückstag sei. »Steig ein, Baby.«
Amüsiert beobachtete er, daß sie in ihrem engen Lederrock
Schwierigkeiten hatte, die hohe Wagenstufe zu erklimmen. Sie
schob den Rock ein gutes Stück in die Höhe und ließ dabei zwei
schmale schwarze Strumpfhalter sehen. Olala! Sein Atem ging
etwas schneller. »Ich heiße Marion«, sagte sie schüchtern, als sie
endlich neben ihm saß und vergeblich versuchte, den Rock bis zu
den Knien zu ziehen. »Ich komme aus Deutschland.«
»Ich heiße Mohammed.« Wie immer sagte er das mit einem
gewissen Stolz. Es galt als Ehre, den Namen des Propheten zu
tragen. »Was tust du hier in der Wildnis, Marian?« Der Name
»Marion« machte ihm zu große Schwierigkeiten. »Ich bin geflohen.
Ich wurde aus Marbella entführt, von Drogenhändlern.
Einer von ihnen hat mich in
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