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Pendergast 12 - Fear - Grab des Schreckens

Pendergast 12 - Fear - Grab des Schreckens

Titel: Pendergast 12 - Fear - Grab des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston , Lincoln Child
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TEIL EINS
    18.00 Uhr
    D ie Frau mit den veilchenblauen Augen schritt langsam unter den Bäumen des Central Park dahin, die Hände tief in den Taschen ihres Trenchcoats. Neben ihr ging ihr älterer Bruder, sein ruheloser Blick nahm alles um sie herum wahr.
    »Wie spät ist es?«, fragte sie zum wiederholten Mal.
    »Punkt achtzehn Uhr.«
    Es war ein milder Abend Mitte November, und die untergehende Sonne warf gesprenkelte Schatten auf die weiten Grünflächen. Sie überquerten den East Drive, kamen am Standbild von Hans Christian Andersen vorbei und gingen eine leichte Anhöhe hinauf. Und dann – als hätten sie denselben Gedanken – blieben sie stehen. Direkt vor ihnen, hinter der glatten Oberfläche des Conservatory Water, stand das Kerbs Memorial Boathouse einem Spielzeughaus gleich eingerahmt von den riesigen Fassaden der Gebäude, die die Fifth Avenue säumten. Es war eine Postkartenidylle: der kleine See, in dem sich der blutorangefarbene Himmel spiegelte, die kleinen Modellbau-Yachten, die durch das stille Wasser pflügten, die freudigen Rufe der Kinder. Soeben erschien ein Vollmond in der Lücke zwischen zwei Wolkenkratzern.
    Ihre Kehle fühlte sich eng und trocken an, und ihre Halskette aus Süßwasserperlen kam ihr einengend vor. »Judson«, sagte sie. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich das kann.«
    Sie spürte, wie er den brüderlichen Griff um ihren Arm beruhigend anspannte. »Es wird schon nichts passieren.«
    Mit pochendem Herzen blickte sie sich um und betrachtete die Szenerie, die sich vor ihr ausbreitete. Auf dem Podest vor dem See fiedelte ein Geiger vor sich hin. Auf einer der Parkbänke vor dem Bootshaus saß ein Liebespärchen, das nur Augen füreinander hatte. Auf der Bank daneben las ein Mann mit kurzem Haar und dem Körperbau eines Bodybuilders das Wall Street Journal. Hin und wieder kamen Pendler und Jogger vorbei. Im Schatten des Bootshauses bereitete ein Obdachloser seine Schlafstatt vor.
    Und da stand er vor dem See – eine schlanke Gestalt, reglos, gekleidet in einen langen, hellen Mantel von vorzüglichem Schnitt, das blonde Haar im fahlen abendlichen Licht platinhell glänzend.
    Die Frau holte tief Luft.
    »Geh nur«, sagte Judson leise. »Ich bleibe in deiner Nähe.« Er ließ ihren Arm los.
    Als die Frau losging, war ihr, als verschwände alles um sie herum, und sie richtete ihre ganze Aufmerksamkeit auf den Mann, der beobachtete, wie sie näher kam. Tausende Male hatte sie sich diesen Augenblick ausgemalt, hatte ihn in all seinen vielen Variationen durchgespielt, wobei er stets mit dem bitteren Gedanken endete, dass er nie wahr werden könnte, dass alles nur ein Traum bleiben würde. Und doch war er hier. Er sah älter aus, aber nicht viel: Die alabasterfarbene Haut, die feinen patrizischen Gesichtszüge, die funkelnden Augen, mit denen er sie aufmerksam betrachtete, erweckten in ihr einen Sturm der Gefühle, der Erinnerung und – selbst in dieser Zeit äußerster Gefahr – der Begierde.
    Ein, zwei Schritte vor ihm blieb sie stehen.
    »Bist du’s wirklich?« In seiner Frage, die er mit seinem weichen, höflichen Südstaaten-Akzent stellte, lag so viel Gefühl.
    Sie versuchte zu lächeln. »Es tut mir leid, Aloysius. So wahnsinnig leid.«
    Er schwieg. Jetzt, nach all den Jahren, stellte sie fest, dass sie die Gedanken hinter seinen silberfarbenen Augen nicht mehr lesen konnte. Was empfand er wohl: Verrat? Groll? Liebe?
    Auf einer Wange hatte er eine schmale, frische Narbe. Sie hob einen Finger und berührte sie leicht. Dann deutete sie impulsiv über seine Schulter.
    »Schau mal«, flüsterte sie. »Nach all den Jahren bleibt uns immer noch der Mondaufgang.«
    Er folgte ihrem Blick über die Skyline der Fifth Avenue. Zwischen den imposanten Gebäuden war der buttergelbe Mond aufgegangen, perfekt gerahmt vor einem perlmuttartigen, pinkfarbenen Himmel, der nach oben hin in ein kühles Violett überging. Er zitterte ein wenig. Als er wieder zu ihr hinschaute, hatte sich sein Gesichtsausdruck verändert.
    »Helen«, flüsterte er. »Mein Gott, ich habe geglaubt, du bist tot.«
    Wortlos hakte sie sich bei ihm unter und begann geistesabwesend mit ihm um den See zu gehen.
    »Judson sagt, dass du mich aus … alldem hier herausholen wirst.«
    »Ja. Wir fahren zurück in meine Wohnung im Dakota. Und von dort gehen wir dann nach –« Mitten im Satz hielt er inne. »Je weniger darüber gesprochen wird, desto besser. Es genügt, wenn ich sage: Dort, wo wir hingehen, hast du nichts zu

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