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Schwarzer Tanz

Schwarzer Tanz

Titel: Schwarzer Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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Rachaela quälte sich mühsam durch die vergiftete Luft des Raumes, und Ruth wandte sich mit ihrem Dämonengesicht zu ihr um.
    » Wir verbrennen unsere Toten«, sagte sie.
    Und sie schleuderte die Kerzen durch den Raum, verstreute die Flammen wie Blüten aus Feuer.
    Die Vorhänge lösten sich in einer brennenden Fontäne auf, und die Sessel neben dem Kamin fingen Feuer. Ruth hielt immer noch eine Kerze in der Hand. Sie zielte auf Rachaela, und Rachaela warf sich zur Seite.
    Ruth schoss mit der brennenden Kerze in der Hand an ihr vorbei und hielt sie, bevor sie den Raum verließ, gegen Türrahmen und Wand.
    Die Tür fiel brennend in sich zusammen.
    Rachaela stand inmitten eines Flammenmeeres.
    Das Haus brannte.
    Ein Waldfeuer. Unten am Boden huschten kleine Tiere, die flüchtenden Mäuse. Decken zerbarsten mit lautem Krachen. Hölzerne Objekte stürzten lodernd herab und zerbrachen wie welkige Blüten.
    So viel Licht, das gleißende Licht der Sonne.
    Rachaela rannte zwischen Mauern aus Flammen die brennende Treppe hinunter.
    Sie wusste nicht, wo sie sich befand, hatte jegliche Orientierung verloren. Das Feuer rannte und sprintete vor ihr her. Ruth … Ruth war das Feuer.
    Ruth musste aufgehalten werden, doch Ruth war nicht aufzuhalten.
    Die Zimmer brannten. Das Feuer breitete sich so schnell aus. Das Haus, vom Sommer ausgetrocknet mit seinem mumienhaften Staub, die alten Vorhänge lodernd wie Pergolen aus Feuer; Dielenbretter, die zersprangen.
    War das der Anbau? Ein riesiges Fenster, die Bleifassung schmolz. Über das Glas zog sich ein grüner, gezackter Riss.
    Rachaela rannte.
    Das Feuer nagte an ihren Armen, und in ihrem Haar züngelten Flammen. Sie schlug sie aus.
    Raus aus dem Hochofen und auf den Treppenabsatz. Sie konnte die Brüstung immer noch erkennen, obwohl das Feuer bereits über die Balustrade sprang; und unten brannte die Nymphe, ihre tote Lampe vom Feuer entzündet.
    Rachaela wandte sich ab und blickte um sich, doch sie war nicht mehr sie selbst. Sie war nur noch Entsetzen. Sie rannte die Treppen hinunter über den Teppich, auf dem kleine Lichter knisterten, und über den schachbrettgemusterten Boden, jetzt ein Spiegel wie ein See, ein See aus Feuer.
    Das Wohnzimmer brannte ebenfalls, der Bogengang war angefüllt mit Flammen, und irgendetwas zerbarst mit einem gewaltigen Zischen und Seufzen.
    Sie sah die Scarabae am Esstisch sitzen, auf ihren Tellern züngelten die Flammen, die Flammen, die sie auflösten, und ihnen die Kleider vom Körper brannten, so dass sie wie mittelalterliche Gemälde von Toten wirkten, bevor sie das Feuer endgültig verschlang.
    Rachaela kreischte. Sie rannte über den feurigen Boden und durch die erste und zweite Tür der Lobby hinaus in die Nacht.
    Sie stolperte zwischen den Bäumen hindurch. Ihr Körper war voller Brandblasen, und ihr Haar hatte erneut Feuer gefangen. Sie schlug es aus. Ihre Hände waren verbrannt, und ihre Beine vom Feuer versengt. Sie hustete und weinte, und schwarze Flüssigkeit rann ihr aus Augen und Nase.
    Sie sah Onkel Camillo, der auf seinem Pferd durch die Flammen ritt, und, als er verbrannte, wild mit seinem Schwert herumfuchtelte.
    Sie sah sie in ihren schachtelartigen Betten wie altes Papier verbrennen.
    Rachaela sank zwischen den Eichen auf die Knie, weinend und blind, während das Haus in festlichem Glanz erstrahlte, umwoben von einem Kranz aus goldenem Licht. Mäuse flitzten in einem tintenschwarzen Strom aus den Flammen heraus in die schützende Dunkelheit.
    Das Haus fiel gegen drei Uhr morgens in sich zusammen.
    Es brach ein wie ein gut gebauter Kamin, seine Mitte zerfiel, die Dächer stürzten mit einem gewaltigen Zischen aus Rauch und Funken herab.
    Fenster explodierten wie Feuerwerk.
    In der Zwischenzeit hatten sich die Überlebenden auf der Heide versammelt.
    Rachaela betrachtete sie aus der Entfernung und zählte ihre Namen auf.
    Miriam und Sascha, Miranda und Eric, Michael und Cheta.
    Niemand sonst war dem Scheiterhaufen entronnen.
    Keiner, bis auf Ruth natürlich. Aber Ruth war schon vor langer Zeit aus den Flammen gekommen und wieder gegangen, sie eilte durch die Dunkelheit wie ein boshafter Kobold. Sie hielt keine Kerze mehr in ihrer Hand, war ihr Werk doch vollendet.
    Sie floh über das Heideland in Richtung Drachenhügel und verschwand.
    Was würde es in dieser Wildnis anfangen, dieses Dämonenkind, ohne Straßen und Läden, ohne Woolworth’s und den Friedhof? Rachaela, die mit dem Rücken gegen einen Baum lehnte, konnte nur

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