Schwarzes Blut: Thriller (German Edition)
Drogenpakete mit Heroin oder Kokain.
Es war höchst unwahrscheinlich, dass diese Männer Opfer eines Drogendiebstahls geworden waren. Als sie ausgestiegen waren, hatten sie keine Gefahr vermutet, sonst hätten sie die Schrotflinte nicht im Wagen liegen lassen. Sie hatten also ihren Mörder gekannt – oder ihn unterschätzt.
Ihn – oder es .
»Warte hier«, sagte Gene.
Er ging ein paar Schritte vor und ließ den Strahl der Taschenlampe über den Haufen zerrissenen Fleischs auf dem Schotter, dem Gestrüpp und den Agaven wandern. Solche bestialischen Morde mochten vielleicht in den gesetzlosen Grenzstädten vorkommen, wo die Drogenkartelle ihr Unwesen trieben. Aber hier, in diesem dünn besiedelten, abgelegenen Landstrich?
Es war nur vernünftig, die State Police hinzuzuziehen. Das Sheriff’s Department verfügte bei Weitem nicht über die Mittel, um ein solches Verbrechen aufzuklären. Eines jedoch beunruhigte ihn: Die Toten waren weiß, keine tätowierten dunkelhäutigen Männer, wie sie sonst den verfeindeten Kartellen zum Opfer fielen. Man hatte sie mit einer geradezu viehischen Grausamkeit in Stücke gerissen. Aus dem abgetrennten Bein, das neben ihm lag, ragte der Oberschenkelknochen heraus. Es sah fast so aus, als hätte jemand darauf herumgenagt.
Eugene Martindale hatte sich um seiner geistigen Gesundheit willen schon lange alle Hirngespinste und wilden Spekulationen abgewöhnt. Doch die Hölle, die sich da vor ihm auftat, löste ungebetene Erinnerungen aus.
Der brüllende Motor eines Ford Expedition, der ohne Rücksicht auf Stoßdämpfer oder Genes Tatort durch die Wüste pflügte, riss ihn aus seinen Gedanken. Der Wagen kam in einer Staubwolke zum Stehen, die Scheinwerfer blendeten Gene und tauchten das Schlachtfeld vor ihm in grelles Licht.
Gene trat beiseite und beobachtete, wie sich Sheriff Dellbert Drum aus dem Ford wuchtete. Er war ein fast zwei Meter großer, massiger Mann, dem man seine Uniformen auf den gewaltigen Leib schneidern musste.
»Chief Deputy«, sagte Drum.
»Sheriff.«
»Da hast du ja eine gottverdammte Sauerei am Hals, Jungchen.«
Gene antwortete nicht, sondern kehrte dem Riesen den Rücken zu. Im hellen Licht entdeckte er einen weiteren Kopf und korrigierte seine erste Vermutung: Es waren vier Männer, die hier in Fetzen vor ihm lagen.
»Ist doch deine Sauerei, oder? Um Haaresbreite, würde ich sagen.« Drum zündete sich eine Zigarre an, so schwarz wie Lakritze.
Gene nickte. Die unsichtbare Grenze, die seinen von Drums Zuständigkeitsbereich trennte, lag unmittelbar hinter dem Tatort. Eine über hundert Jahre alte Mauschelei war schuld daran, dass es sich tatsächlich um seine Sauerei handelte.
Auf der Karte sah es so aus, als wäre die Grenzlinie, die schnurgerade von Norden nach Süden verlief, plötzlich auf ein Hindernis gestoßen und hätte einen Bogen zur rechten Seite geschlagen, bevor sie wieder die ursprüngliche Richtung aufnahm. In diesem Bogen befanden sich die Ruinen des Roadhouse, das lange vor der Grenzziehung erbaut worden war und von Rechts wegen eigentlich zum Nachbarcounty gehört hätte. Zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts allerdings hatten dort Männer das Sagen gehabt, die die Bibel höher schätzten als Schnaps und leichte Mädchen. Da hatte ein Etablissement voll Schwarzgebranntem und zwielichtigen Huren nichts zu suchen.
In Genes County dagegen war es in jenen Tagen etwas lockerer zugegangen. Hier hatten sich die Altvorderen eher für Bares als für Recht und Ordnung interessiert, und nachdem genügend Geld den Besitzer gewechselt hatte, wurde die Grenze verschoben und dadurch das Roadhouse vor den Moralaposteln in Sicherheit gebracht.
Im Laufe der Zeit hatten sich die Dinge ins Gegenteil verkehrt. Genes County war unter der Obhut von Sheriff Milt Lavender – der mehr Amtszeiten auf dem Buckel hatte, als die Erinnerung der meisten zurückreichte, und der in diesem Augenblick auf dem Sterbebett lag – zum Symbol der Gerechtigkeit geworden, während Drum auf seiner Seite ein Imperium der Sünde errichtet hatte, in dem die Korrupten und Verdorbenen willkommen waren, solange sie den Preis bezahlten, den er verlangte, damit er beide Augen zudrückte.
Gene war noch nie vor einer Aufgabe zurückgeschreckt, doch im Augenblick wäre er heilfroh darüber gewesen, diesen heillosen Schlamassel Dellbert Drum übergeben zu können, wieder in seinen Streifenwagen zu steigen, nach Hause zu fahren und die ganze Sache und die gefährlichen Erinnerungen,
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