Schwarzes Blut
hinter mir. Blitzartig wird ihm klar, was ich vorhabe. Er zückt das Messer, als ich den Revolver aus dem Halfter nehme. Jetzt wird er es benutzen und sich keine Sorgen mehr darüber bereiten, ob er mein Blut oder das, was davon noch übrig ist, vergeudet. Er muß wissen, wie schwer man Kugeln schnappen oder ihnen ausweichen kann, vor allem, wenn sie von einem anderen Vampir abgefeuert werden. Kann ich seinem Messerwurf jetzt entgehen? Ich nehme den Revolver fest in die Hand und springe hoch. Leider trifft ihn meine Aktion nicht unvorbereitet. Als ich das Feuer eröffne, dringt mir sein Messer, mein Messer, zum zweitenmal in den Leib. Diesesmal in den Magen, gleich am Bauchnabel. Es schmerzt. Mein Gott, ich kann einfach nicht fassen, wie schlecht das alles hier für mich läuft. Aber eine Überlebenschance habe ich doch noch, eine Chance, daß seine Glückssträhne jetzt vorbei ist. Noch bevor ich wieder auf der Erde lande, lasse ich den Revolver sprechen und treffe ihn, so gut ich kann, obwohl er mit einem Satz zur Seite springt, um einer tödlichen Wunde zu entgehen. Ich verpasse ihm eine Kugel in den Magen, eine in den Hals, die linke Schulter, zwei in die Brust. Als ich am Boden aufsetze, rechne ich damit, daß auch er nun am Boden ist.
Falsch gerechnet. Zwar taumelt er, bleibt aber auf den Beinen.
»Mein Gott«, flüstere ich und sinke auf die Knie. Krepiert dieser Scheißkerl denn nie? Wir starren einander im Dunkel unterhalb der Tribünen an, beide stark blutend. Einen Moment lang bleiben unsere Augen aufeinandergerichtet. Mehr als zuvor spüre ich eine Unruhe in ihm, eine Vision von Wirklichkeit, die weder ein Mensch noch ein Vampir teilen möchte. Mir sind die Kugeln ausgegangen. Er scheint zu lächeln – keine Ahnung, was er so lustig findet. Schließlich dreht er sich einfach um und trottet von dannen. Wenig später sehe und höre ich ihn nicht mehr. Ich ziehe mir das Messer aus dem bloßen Bauch, verliere dabei fast das Bewußtsein, versuche, durch einen Schleier roten Schmerzes hindurch zu atmen. Ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern, daß es mir jemals so schlecht ergangen wäre.
Und doch: Ich bin Sita aus der Morgendämmerung der Menschheit, ein unvergleichlicher, unverwüstlicher Vampir. Natürlich nur dann unvergleichlich, wenn ich mich nicht mit ihm vergleiche, mit diesem Dämon, dessen Name ich noch immer nicht kenne. Tot ist er nicht, davon bin ich überzeugt. Nachdem ich mich wohl bald zwanzig Minuten auf dem Betonboden winde, weiß ich, daß ich es schaffe. Schließlich setzt die Heilung meiner Wunden ein, und ich kann mich wieder aufrecht hinsetzen und tief Luft holen. Vor der Sache mit dem Pfahl in meinem Herzen wären meine Wunden in nur zwei Minuten verheilt.
»Ich werde alt«, murmele ich zu mir selbst.
Ich höre keine Vampire mehr in der Nähe. Dafür erscheint die Polizei im Kolosseum. Ich stecke das Messer wieder an seinen Platz unter dem Hosenbein und stolpere den Betontunnel zurück auf den Sportplatz. Ich stoße auf einen Schlauch und wasche mir das Blut ab, so gut es geht. Auf Schulter und Bauch habe ich keine Narben. Aber mein Blutverlust ist erheblich, ich bin total geschwächt. Und muß jetzt auch noch wegen der Polizei aufpassen. Ihre Streifenwagen halten draußen vor der Kampfbahn. Jemand muß sie wegen der Schüsse angerufen haben. Hier im Kolosseum geschnappt zu werden, wäre nicht gerade der Knüller – bei all den Leichen, die hier herumliegen. Sie würden mich zum Verhör in die Stadt mitnehmen, und ich dürfte Probleme damit haben, eine triftige Erklärung abzugeben, was meine versauten Klamotten angeht. Ich überlege, ob ich mich nicht besser hier drinnen irgendwo verstecken sollte, bis sich alles etwas beruhigt hat, aber nein, Quatsch, das würde doch Stunden, vielleicht sogar Tage dauern, und ich will doch nach Hause, zu Ray, und mit ihm die nächsten Schritte besprechen.
Bevor ich jedoch die Arena verlasse, checke ich die drei Vampire noch mal ab, um sicherzugehen, daß sie auch wirklich tot sind. Trotz ihrer schweren Verletzungen wäre es denkbar, daß sie gesund werden und sich wieder aufrappeln. Um ganz auf Nummer Sicher zu gehen, breche ich ihnen mit dem rechten Stiefelabsatz den Schädel. Ein schlechtes Gewissen bereitet mir das nicht. Immerhin schütze ich doch nur das Leben der Polizeibeamten, die sie entdecken könnten.
Ich entferne mich in die Richtung, aus der am wenigsten Lärm zu hören ist, klettere über den Zaun und bin draußen auf dem
Weitere Kostenlose Bücher