Schwarzes Blut
hole mit dem linken Fuß aus und treffe ihn unter dem Knie am Schienbein. Ich breche ihm den Knochen. Er stößt einen Schrei aus und fällt hin. Sofort bin ich auf ihm und drücke ihm mit den Knien seine massigen schwarzen Arme auf den Grasteppich. Im Hintergrund bemerke ich, wie sich der Anführer gemächlich nähert, felsenfest davon überzeugt, daß ich als leichte Beute für ihn hier übrigbleibe. Soll ich wirklich hierbleiben? Es bleibt mir keine Zeit, den Vampir unter mir so in die Mangel zu nehmen, wie ich es gerne getan hätte. Ich reiße ihn an den Haaren.
»Wer ist dein Anführer?« frage ich. »Wie heißt er?«
Er kann unmöglich älter als fünfundzwanzig sein und ist sicher auch nicht länger als einen Monat ein Vampir. Ein Grünschnabel. Das Ausmaß der Gefahr, in der er schwebt, kriegt er gar nicht mit, obwohl er doch gesehen hat, was ich mit seinen Kameraden angestellt habe. Er lacht mich nur höhnisch an. Die Unsterblichkeit dürfte für ihn eine sehr vergängliche Erfahrung sein.
»Fahr zur Hölle, du Miststück!« flucht er.
»Später«, gebe ich zurück. Wenn die Situation es zuließe, würde ich ihn mir vorknöpfen, ihn foltern. So aber lege ich ihm die Hände um den Hals, und bevor er auch nur einen Laut hervorbringen kann, drehe ich ihm den Kopf einmal ganz herum, breche ihm dabei alle Knochen. Leblos sackt er zusammen. Sofort richte ich mich wieder auf und ziehe mein Messer aus dem Schädel von Opfer Nummer zwei. Der Anführer sieht, wie ich die Waffe an mich nehme, verändert jedoch sein Tempo nicht. Er wirkt seltsam distanziert, seine Züge sind zugleich jedoch glühend. Aus jetzt vielleicht noch fünfzig Meter Entfernung sieht er aus wie ein Spinner. Aber gleich hat er wohl ausgesponnen. Ich nehme das Messer in die linke Hand, spanne den Arm an und lasse die Klinge genau auf sein Herz zufliegen, so wie er sie auf meins hat zufliegen lassen. Ich weiß, daß ich es nicht verfehlen werde.
Und ich hätte es auch nicht verfehlt. Aber es trifft ihn trotzdem nicht.
Er schnappt sich das Messer, mitten in der Bewegung, nur Zentimeter vor seiner Brust.
Er schnappt es sich am Griff, etwas, das selbst ich nicht schaffe. »O nein!« flüstere ich. Der Kerl hat die gleiche Macht wie Yaksha.
Jetzt rechne ich nicht mehr damit, daß er unsere Meinungsverschiedenheiten noch großartig ausdiskutieren möchte. Ich drehe mich um und renne auf den Tunnel zu, durch den ich zum Sportplatz gekommen war. Meine Schulter pocht, mein Herz hämmert. Jeder Schritt kann mein letzter sein. Das Messer wird wieder heranfliegen, wird mir zwischen die Schulterblätter schneiden, wird sich mir tief ins Herz senken, das schon einmal so schwer verletzt worden ist. Vielleicht ist es ja gut so. Vielleicht wird der Schmerz dann ja aufhören. Aber tief in meinem Inneren will ich gar nicht, daß er aufhört. Denn der Schmerz macht mir wenigstens bewußt, daß ich noch lebe, und das Leben ist mir lieb und teuer, mehr als alles andere, selbst wenn ich es manchmal ohne Skrupel nehme. Was soll aus der Erde werden, wenn ich sterbe, bevor er stirbt? Keine Frage: Dieser Kerl hier ist die Pest auf Erden.
Er sticht mich jedoch gar nicht ab. Entkommen läßt er mich aber auch nicht. Ich höre, wie er hinter mir seinen Schritt beschleunigt, und ich begreife, daß er jetzt doch noch mit mir reden will – zu seinen Bedingungen –, bevor er mein Blut trinkt. Er will mir meine ganze Macht aussaugen und mich in seinen Armen sterben lassen. Aber dieses Vergnügen werde ich ihm nicht bereiten, das schwöre ich.
Ich renne den langen Betontunnel entlang. Meine Stiefel hämmern dabei wie Kugeln aus einem Maschinengewehr, seine Schritte hinter mir wirken wie Leuchtspurgeschosse, rücken näher, Meter um Meter. Ich habe einfach nicht die Kraft, ihm zu entwischen. Das versuche ich aber auch gar nicht erst. Nachdem diese Freunde der Nacht hier den Wachmann umgebracht haben, haben sie sich nicht die Mühe gemacht, seinen Revolver mitzunehmen. Ich auch nicht, als ich voller Siegeszuversicht ins Kolosseum hinein bin. Diese Waffe ist nun meine letzte Hoffnung. Wenn ich sie erreiche, bevor mein Mörder mich erreicht, zeige ich ihm mal, was es heißt, schwerverwundet zu sein. Ich wiege nicht viel, nur achtundneunzig Pfund ohne Kleider, und ich habe schon mindestens einen Liter Blut verloren. Ich habe eine Atempause dringend nötig, und der Revolver des Wachmanns kann mir diese verschaffen.
Als ich die Leiche erreiche, ist das Monster nur noch dreißig Meter
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