Schwarzes Blut
BASTEI-LÜBBE-TASCHENBUCH Band 74007
Erste Auflage: Juni 1996
©Copyright 1994 by
Christopher Pike
All rights reserved
Deutsche Lizenzausgabe 1996 Bastei-Verlag Gustav H. Lübbe GmbH & Co., Bergisch Gladbach Originaltitel: The Last Vampire 2 – Black Blood
Lektorat: Karin Schmidt
Titelbild: Jan Balaz
Umschlaggestaltung:
Quadro Grafik, Bensberg
Gesamtherstellung:
Ebner Ulm
Printed in Germany
ISBN 3-404-74007-6
1.
KAPITEL
Ich wandere durch die dunklen und gefährlichen Straßen der Unterwelt von Los Angeles. Ich, eine scheinbar hilflose junge Frau mit seidenblonden Haaren und anziehenden blauen Augen. Gassen und Straßen sind schmutzübersät. Hier wird Macht in Blutstropfen gemessen, vergossen von jungen Burschen, die noch nicht mal den Führerschein haben. Ich befinde mich in der Nähe von Siedlungsbauten, diesen archaischen Hotels der Gastfeindlichkeit, in denen die Abreisegebühr stets höher ist als der Eintrittspreis. Dank meiner übernatürlichen Wahrnehmungskraft weiß ich, daß ich von Leuten umzingelt bin, die mir schon die Kehle aufschlitzen wollten, sobald ich sie nur nach der Uhrzeit frage. Doch in Wirklichkeit bin ich weder hilflos noch ängstlich, schon gar nicht im Dunkel der Nacht, denn ich bin kein menschliches Wesen. Ich bin Alisa Perne aus dem zwanzigsten Jahrhundert, und ich bin Sita aus der fernen Vergangenheit. Ich bin fünftausend Jahre alt und einer der letzten beiden Vampire.
Aber gibt es wirklich nur noch zwei von uns?
Irgend etwas läuft total schief hier in der Unterwelt von Los Angeles, und das beunruhigt mich. Vor einem Monat berichtete die Los Angeles Times über eine Serie von brutalen Morden, die mich vermuten lassen, daß Ray und ich nicht die einzigen sind mit diesem besonderen Blut in den Adern, das uns vor dem Altern ebenso schützt wie vor den allermeisten menschlichen Gebrechen. Die Mordopfer wurden regelrecht aufgeschlitzt, enthauptet, und in manchen Fällen wurde ihnen, wie der Artikel berichtet, ihr Blut entnommen. Dieses letzte Detail hat mich nach Los Angeles kommen lassen. Ich stehe selbst auf Blut, bin aber nicht erpicht darauf, noch auf andere Vampire zu stoßen. Ich weiß, was alles in unserer Macht steht, und ich weiß, wie schnell wir uns vermehren können, sobald das Geheimnis unserer Fortpflanzung einmal bekannt wäre. Wenn ich heute abend einen Vampir treffe, wird er das Morgengrauen nicht mehr erleben. Was die Sonne angeht, bin ich nicht wild auf sie, kann sie aber ertragen, wenn es sein muß.
Der Vollmond steht hoch über mir, und ich trete auf die Exposition Avenue Richtung Nord, nicht weit entfernt vom Tatort des letzten Verbrechens: ein sechzehnjähriges Mädchen, das gestern mit abgetrennten Armen im Gebüsch aufgefunden wurde. Es ist spät, schon nach Mitternacht, und obwohl wir Mitte Dezember haben, liegt die Temperatur um die achtzehn Grad. Der Winter in Los Angeles ist wie ein Mond aus grünem Käse – ein schlechter Witz also. Ich trage eine schwarze Lederhose und ein kurzärmeliges, schwarzes Top, das meine schlanke Taille freiläßt. Meine schwarzen Stiefel machen kaum ein Geräusch auf dem unebenen Gehweg. Die Haare trage ich hochgesteckt unter einer schwarzen Mütze. Schwarz ist meine Lieblingsfarbe. Rot auch. Ich weiß, daß ich hinreißend aussehe. Rostfreier Edelstahl schmiegt sich mir kalt an die rechte Wade, an der ich eine Fünfzehn-Zentimeter-Klinge versteckt habe. Sonst aber bin ich unbewaffnet. An diesem schönen Winterabend sind eine Menge Streifenwagen unterwegs. Einer von ihnen fährt links an mir vorbei, und ich senke den Kopf und bemühe mich, so zu wirken, als gehörte ich hierhin. Ich trage deshalb keine Schußwaffe, weil ich befürchte, angehalten und durchsucht zu werden. Sorgen mache ich mir jedoch nur um das Leben der Polizeibeamten, nicht um mein eigenes. Ein ganzer Trupp Polizisten könnte mich nicht aufhalten. Auch bin ich davon überzeugt, daß ein junger Vampir nur nichts entgegenzusetzen hat. Und er oder sie muß jung sein, um so rücksichtslos zu töten, wie es hier geschehen ist.
Doch wer ist dieser Nachwuchsvampir? Und wer hat ihn oder sie erschaffen?
Fragen, die mich nicht loslassen.
Etwa dreißig Meter vor mir lungern drei junge Männer herum. Ich wechsele die Straßenseite, doch sie schneiden mir den Weg ab. Einer von ihnen ist groß und schmal, der andere gedrungen wie ein abgestorbener Baumstumpf. Der dritte hat das Gesicht eines dunklen Engels, der auf der falschen Seite der Himmelspforte
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