Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi
Berenike
gehörte.
»Ich hab gehört, was letzte Nacht in Ihrem Lokal passiert
ist! Das muss ja furchtbar sein!« Frau Gasperl hielt sich die Hand vor den
Mund, den plötzlich aufgerissenen.
»Ja, das ist – einfach ist es nicht …« Das gestrige
Geschehen explodierte wie heiße Sterne in Berenikes Kopf.
»Sie sehen blass aus! Wollen Sie sich einen Moment zu mir
setzen?«
»Ich muss arbeiten, Frau Gasperl.« Wie albern sie sich
gestern aufgeführt hatte, während die Polizisten mit ihren großen, rauen Händen
nach zerbrechlichen Tassen und Kannen gegriffen hatten. Das Geschirr war ihr
Kapital, gekauft von jenem dreckigen Geld, das dennoch kein Preis war, kein
Preis für …
»Aber ich hätte gerade frischen Kuchen.«
»Danke.« Berenike bemühte sich um ein Lächeln, es schmerzte
in den Kieferknochen.
»Ist es wahr, dass …«
»Frau Gasperl, es tut mir leid.« Sie versuchte, sich an der
anderen vorbeizudrängen.
»Dass die Finger des Toten …«
»Die Finger, ja …« Berenikes Hände waren die ganze Nacht
gegen Dinge geflogen, alles Mögliche war zu Bruch gegangen. Immer wieder hatte
sie wie unter Zwang ihre eigenen Hände betrachtet, Hände mit intakten
Fingergliedern.
»Schrecklich. So ein Ende. Wer macht so was?«
»Ich muss wirklich los.«
»Natürlich.« Jetzt gab Frau Gasperl die Tür frei. »Sie sind
jung, da hat man viel zu tun, jetzt erst recht …« Die ältere Frau biss
sich erschrocken auf die Unterlippe. »Ich wünsch Ihnen wirklich nichts
Schlechtes!«
»Schon gut.«
Frau Gasperl winkte. Berenike dachte an die Hände des toten
Journalisten. Diese Hände, die nie wieder etwas schreiben würden. Finger, die
über keine Tasten mehr fliegen würden. Warum die Finger? Und wer …?
3
Assam Tee mit einer Prise Ingwer
Bevor sich
das Bild auf ihren Magen übertragen konnte, zog Berenike die Haustür mit dem
grün-weißen Fischgrätmuster hinter sich zu. Die Wohnung in dem Holzhaus mit
seinem gemauerten Sockel war ein seltener Glücksgriff. Lieber hätte Berenike
ein Häuschen für sich allein gehabt, wo ihr niemand nachspionierte. Doch das war
ausgeschlossen. Selbst die meisten Wohnungen waren ausschließlich im Eigentum
zu vergeben und damit unerschwinglich.
Sie zog den Zippverschluss ihrer Jacke bis oben hin zu. Sie
würde hart arbeiten, dann würde es schon aufwärtsgehen, auch finanziell. Sie liebte
Altaussee, ihren Salon und die Menschen hier. Auch wenn das tägliche Leben
nicht so einfach war, wie sie es sich als Besucherin erträumt hatte. Sie
beobachtete Kater Marlowe, wie er ihr vom Balkon aus nachspionierte. Die Miezen
hatten über ein Katzentürchen und eine Treppe direkten Zugang zur Wohnung. Dem
wenigstens hatte Frau Gasperl gleich zugestimmt, tierlieb, wie sie war.
Berenikes Katzen konnten das Türchen mit einem Sender am Halsband öffnen.
Seither musste man sich nachts nicht mehr über fremde Katzen im Haus halb zu
Tode erschrecken. Die üppigen Balkonblumen tropften noch vom Regen der letzten
Nacht, die feuchte Straße glänzte in der Sonne.
Berenike startete das chromblitzende Motorrad. Von ihrer
Wohnung im Ortsteil Lichtersberg ging es bergab Richtung Zentrum, vorbei an der
Abzweigung zur Ruine Pflindsberg. Bei ihrem Erholungsurlaub hatte Berenike die
Aussicht von dem zerbröckelten Gemäuer genossen wie weiland Kaiserin Sisi.
Überall war sie hingestapft, auf der Suche nach Ablenkung. Niemand hatte sie
allerdings, im Unterschied zur unglücklichen Ehefrau von Kaiser Franz Josef,
mit einer Sänfte hinaufgetragen. Für sie war der Aufstieg auf fast 1000 Meter
Seehöhe – 958, to be exact – hart erkämpft gewesen. Sie erinnerte
sich zu gut an das Herzrasen, der Weg nach oben zog sich eine Stunde steil
dahin. Im dichten Wald ging es an einem mächtigen Wasserfall vorbei, eine
angenehme Abkühlung. Der Ausblick von oben belohnte jedoch alle Mühen. Unten
lag der See wie eingebettet in die Berge. Die kümmerlichen Mauerreste
erinnerten in nichts an die frühere Funktion der Burg als Gefängnis und
Hinrichtungsort. Mit ihrem wildromantischen Pflanzenwuchs gab die Ruine manche
Überraschung preis. Eine Schlange glitt davon, wahrscheinlich eine harmlose
Blindschleiche. Und, versteckt im Wald, stand eine Hütte, die Berenike ohne die
häufigen Pausen niemals entdeckt hätte. Sie hatte sich geehrt gefühlt, das
berühmte Medium, Madame Montego, kennenzulernen, die sehr zurückgezogen lebte.
Jetzt ließ Berenike den
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