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Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi

Titel: Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anni Buerkl
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1
    Verbenentee
    Alles, was zur Lesung fehlte, war der Dichter.
Berenike gestand sich ein, dass das kläglich war. Mochte der Rest noch so
perfekt sein, die Speisen in ihrem Salon vorzüglich und der Tee
unwiderstehlich. Die böse Vorahnung ergriff wieder Besitz von ihr. Bis jetzt
hatte sie das Gefühl auf ihre Nervosität geschoben. Und auf das Gewitter, das
den ganzen Tag herumgezogen und dann doch nicht über Altaussee niedergegangen
war. Erst vor Kurzem hatte sie ihren Salon für Tee und Literatur hier eröffnet,
heute veranstaltete sie die erste Lesung. Attention now!
    Das Lokal war voll. Ausseer in Tracht, Touristen in
Freizeitklamotten. Knallrote Parkas in Kombination mit hellbeigen Kniehosen
mussten der letzte Schrei sein. Berenikes rosa Kimono aus Japan stach dagegen
total hervor. Die Seide raschelte bei jedem Schritt, eine sprichwörtliche Reise
in die Ferne.
    Rasch kontrollierte Berenike im Waschraum ihr Aussehen. Sie
hatte den kleinen Raum in einen orientalischen Traum verwandelt, dunkelblau
gestrichene Wände mit goldenen Sprengseln, leichter Opiumgeruch aus einer
Duftschale.
    Sinnierend betrachtete sie sich im Spiegel. Ihr linkes Auge
wirkte schiefer als sonst. Der kleine Makel fiel nur auf, wenn sie angespannt
war. ›Du bist zur Schamanin geboren‹, hatte ihr einmal ein geheimnisvoller
Inder auf einer Reise versichert. Doch was sollte sie im Europa des
21. Jahrhunderts mit etwas anfangen, wovon sie nicht die geringste Ahnung
hatte? So hatte sich Berenike für ihre rationale Seite entschieden. Business,
Geld, guter Sex. Bis vor einiger Zeit alles zusammengebrochen war. Aber daran
wollte sie jetzt nicht denken.
    »Om«, sie schloss für einen Moment die Augen. »Om«,
wiederholte sie das universelle Mantra. Sie blinzelte mit einem Auge. Damn it,
sie war noch immer nicht relaxed. Da konnte man nichts machen. Sie zwinkerte
ihrem Spiegelbild zu, zupfte an ihren asymmetrisch kurz geschnittenen schwarzen
Haaren und ging hinaus.
    Draußen inspizierte sie
ein letztes Mal das Buffet, kleine Häppchen aus Avocados lockten neben
Gurkenscheiben auf Butterbrot, natürlich alles biologisch. Ihre Mitarbeiterin
Ragnhild kam und stellte Teekannen bereit; die Gäste konnten sich hier selbst
bedienen. Ragnhild war ebenfalls in einen Kimono gewandet. Berenike hob den
Deckel von einem blauen Keramikkännchen und schnupperte. Der zitronige Duft des
Verbenentees wirkte angenehm in der Hitze. Zu einer Premiere wie heute Abend
gehörte eigentlich das Prickeln von Champagner. Tee wirkte plötzlich so banal.
Kein Alkohol, kein Begehren, sie hatte den Ausschweifungen aus gutem Grund
abgeschworen. Zum ersten Mal fragte sie sich nun, ob jene Leere, die der
Buddhismus als höchstes Glück pries, wirklich erstrebenswert war. Sogar den
Wirt vom ›Grünen Kakadu‹ hatte sie unter den Besuchern ausgemacht, Max hieß er.
Er schob sich an sie heran und hauchte mit heißem Atem in ihr Ohr: »Schön, dich
zu sehen!« Ohne dass er sie berührt hätte, konnte sie seine Präsenz durch den
Stoff hindurch spüren. Sie ließ die Erregung einen Moment auf sich wirken. Im
Luftzug stellten sich die Spitzen ihrer Brüste unter dem Stoff auf, ein
wohliger Schauer durchlief ihren Körper.
    Schräg schien die Sonne durch das offene Fenster auf die
hohen Bücherregale. Berenike hatte sich für schwarze moderne Möbel entschieden,
um sich vom rustikalen Ambiente anderer Lokale abzuheben. Die Kirchenglocken
läuteten zum Abend. Es klang, als hätten sie ebenfalls Mühe, sich bei der Hitze
zu bewegen. Berenike spürte, wie ihre Haut unter der Seide glühte, so warm war
es im Raum.
    Langsam machte sich Unruhe unter den Gästen breit. Sie sah
auf die Uhr. Schon zehn Minuten nach der geplanten Zeit für den Beginn. Die
Besucher, die bereits eine halbe Stunde im Salon saßen, standen wieder auf. Sie
zupften ein Buch aus dem obersten Regal, legten es woanders ab. Dann blätterten
sie kurz in einem anderen Bändchen, nur um auch dieses irgendwo zurückzulassen,
wo es nicht hingehörte. Aber das war alles kein Problem. Berenike versuchte,
sich auf ihren Atem zu konzentrieren. Das beruhigte.
    »Wann gehts los?« Die Stimme hörte sich glatt und männlich an
wie das frisch rasierte, braun gebrannte Gesicht. Ein junger Kerl im blauen
Hemd stand vor ihr, seine Augen blitzten unruhig umher.
    »Gleich«, Berenike krampfte ihre Hand um das Handy. Das war
Murphys Law. Alles geht schief, was nur schiefgehen kann.

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