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Schweineblut

Schweineblut

Titel: Schweineblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Küsters
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zu sehen. Die
Laternen warfen nur spärliches Licht auf die üppigen Kapitelle, Stucksimse und
anderen Gründerzeitprofile der hohen Bürgerhäuser. Vor ihnen tauchte die Front
des wilhelminischen Landgerichts auf. Auch um diese Tageszeit forderte der
mächtige Bau den Respekt vor der preußischen Gesetzgebung ein. Ebenso still lag
nebenan die Staatsanwaltschaft da.
    Ecki klappte sein Mobiltelefon zu. »Sie hat sich an der Pforte noch
nicht gemeldet.«
    »Wir werden die Straßen beobachten. Sie wird kommen.« Frank lenkte
seinen Wagen in die Parallelstraße, die die Hohenzollernstraße vor dem Gericht
ein kurzes Stück begleitete und durch Parkbuchten von ihr getrennt war.
    »Viel siehst du von hier aus aber nicht.«
    »Abwarten.« Frank schaltete die Scheinwerfer aus und beobachtete die
gegenüberliegende Straßenseite. Bis auf den Autoverkehr blieb es ruhig. Von
keiner Seite näherte sich eine Frau der Straße, die zur Justizvollzugsanstalt
führte, die weitgehend versteckt hinter dem Gerichtsgebäude lag. Außerdem
hatten sie niemanden gesehen, der wie sie in einem der geparkten Autos wartete.
    Die Minuten verstrichen, ohne dass etwas passierte.
    Schließlich ließ Frank den Motor an. »Viola wird nicht aus dieser
Richtung kommen.«
    »Sie wird vorsichtig sein. Sie weiß, dass wir sie suchen.«
    Frank startete den Motor.
    »Was hast du vor?«
    »Lass uns über die Bökelstraße von hinten an die JVA heranfahren. In
den Seitenstraßen hat sie jede Möglichkeit, unentdeckt zu bleiben.«
    »Du meinst, Viola ist mit dem Auto unterwegs?«
    »Ich weiß es nicht.« Frank fuhr langsam und suchte mit den Augen die
Bürgersteige ab und das Innere der abgestellten PKWs.
    »Vielleicht ist sie längst wieder weg. Wenn sie weiß, dass wir sie
suchen, wird sie auch wissen, wo wir sie suchen. Sie hat nur ein kleines
Zeitfenster gehabt, um in die JVA zu kommen. Sie hat ihren Plan sicher längst
aufgegeben. Sonst hätten wir etwas gehört.«
    »Und, wo ist sie jetzt, du Schlaumeier? Wenn sie ihre Aktion
abgebrochen hat, wird sie weiter auf Rache aus sein.«
    »Aber sie wird ihre Gefühle nicht befriedigen können.«
    »Sie kann sich etwas antun. Sie hat schließlich die Waffe.«
    »Du meinst …?« Ecki wagte nicht weiterzusprechen.
    »Wenn das für sie die einzige Chance auf Heilung ihrer Qualen
bleibt, dann sollten wir auch damit rechnen.«
    »Sie wird doch nicht so lebensmüde sein.«
    »Du hast sie nicht gesehen.«
    Ecki schwieg.
    Die beiden umrundeten das Karree, in dem die JVA lag, noch ein
paarmal, ohne Viola Kaumanns zu Gesicht zu bekommen.
    »Wir brechen ab.«
    »Was denkst du?«
    »Entweder ist sie schon tot, oder sie hat sich irgendwo verkrochen.«
    »Sie wird sich nichts antun. Sie hängt an ihrem Leben. Sie ist doch
immer so lebensfroh gewesen.«
    »Ja, Ecki, sie ist voller Lebensfreude ›gewesen‹. Sie wird nicht
vergessen können, was van Bommel ihr angetan hat.«
    »Menschen sind zäh. Sie können verdrängen.«
    »Hör auf mit deinen Polizeiweisheiten.«
    Ecki rieb über das beschlagene Seitenfenster. »Wer kümmert sich
jetzt eigentlich um Mestrom?«
    »Sie wird die Nacht schon unversehrt überstehen.«
    Mehrfach umrundete sie das Gebäude. Dabei hielt sie ihre
Hand fest auf die Waffe gedrückt, die schwer in ihrer Anoraktasche lag. Der
Nebel verschluckte die Umgebung, gleichzeitig gab er ihr Schutz.
    In der Entfernung meinte sie ein Auto zu hören, das langsam durch
die Seitenstraße rollte. Viola Kaumanns drückte sich in die Nische einer
verschlossenen Toreinfahrt. Dort blieb sie, bis sich das Motorengeräusch endgültig
in der Nacht verloren hatte.
    Viola versuchte, die Konturen der unmittelbaren Umgebung zu erkennen
und Veränderungen in den Fassaden auszumachen: hell aufleuchtende und dann
wieder im Dunkeln versinkende Räume, aufflackernde Außenlampen. Sie schloss die
Augen und konzentrierte sich auf die Geräusche: Haustüren, geöffnete
Wagenverschläge, bellende Hunde.
    Aber es blieb still.
    Clemens Boshoven hatte jedes Gefühl für Zeit verloren. Er
wusste nicht, wann er sein Büro verlassen hatte. Er wusste nicht mehr, wann er
das letzte Mal etwas gegessen hatte. Er wusste nicht, wann er das letzte Mal
mit seiner Frau, wann mit seiner Freundin telefoniert hatte. Zeit war längst
bedeutungslos geworden.
    Er spürte nur noch die Kälte der Kaimauer. Er musste es zu Ende
bringen. Mühsam erhob sich Clemens Boshoven. Er war von der Kälte und vor
Müdigkeit ganz steif. Boshoven musste für einen Moment

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