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Schwester der Toten

Schwester der Toten

Titel: Schwester der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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beobachtet, wie Sie mit der blutigen Kamera in den Händen über den Fotografen gebeugt standen. Und er ist sicher, dass niemand sonst im Raum war.«
    Philip stöhnte. Es war sinnlos. Berger glaubte ihm nicht. Wieso sollte er auch? Der Fall war so eindeutig, dass Philip Mühe hatte, sich selbst zu glauben. Was konnte er zu seiner Verteidigung vorbringen? Visionen. Geschichten über Tote, die lebten. Über Reisen durch die Zeit. Wenn er richtig viel Glück hatte, würden seine Erklärungen ihm das Gefängnis ersparen und ihn dafür direkt in die Gummizelle führen. »Piss die Wand an!«, entwischte es ihm.
    »Fluchen hilft Ihnen auch nicht mehr.«
    »Was haben Sie jetzt mit mir vor?«
    »Wir behalten Sie fürs Erste hier.«
    »Das können Sie nicht machen«, protestierte Philip. Er dachte an seine Großmutter. Ihr überraschendes Auftauchen passte nur zu gut zu den unerklärlichen Ereignissen der letzten Tage. Der Tod von Rüdiger Dehnen. Die unheimlichen Visionen. Die Reise. Die Frau, der er 80 Jahre in der Vergangenheit das Leben gerettet hatte. Er war sich sicher, all dies wirklich erlebt zu haben; was ihm fehlte, war eine fassbare Verbindung zwischen den Geschehnissen. Gab es überhaupt einen Zusammenhang? Hatte alles einen verborgenen Sinn? Das hat es, mein Junge, das hat es. Auch wenn sich ihm dieser noch nicht zeigte, er war fest entschlossen, die Wahrheit hinter allem zu finden. Aber das gelang ihm nicht, wenn er hier im Knast saß.
    »Sie haben Recht«, sagte Berger und lenkte Philips Aufmerksamkeit zurück in die Kombüse. Der Kommissar zog das zweite Blatt Papier aus dem Ordner hervor, bevor er sich erhob und mit dem Zeigefinger gegen die Tür pochte. Zwei uniformierte Beamte betraten den Raum. Die beiden konnten unterschiedlicher nicht sein, der eine untersetzt, hellhäutig, mit roten Haaren wie ein Ire, der andere groß gewachsen, solariumgebräunt und grau meliert. Doch Rotschopf und grauer Star, wie Philip sie insgeheim taufte, hatten auch eine Gemeinsamkeit: Ihre rechte Hand schwebte jeweils wachsam über dem Knauf der Dienstwaffe.
    »Führen Sie den Jungen in die Zelle«, wies Berger an. »Und sorgen Sie dafür, dass ein Pflichtverteidiger benachrichtigt wird.«
    Dann sah er noch einmal zu Philip herüber und sagte, während er siegesgewiss mit dem Zettel in der Hand wedelte: »Sie haben Recht. Wir können Sie nicht hier behalten. Das werden wir auch nicht. Wir werden Sie schon morgen in die Vollzugsanstalt überstellen. Der Haftrichter hat Untersuchungshaft angeordnet. Es besteht dringende Fluchtgefahr.«
     
     
    Lindisfarne
     
    »Festhalten!«
    Bremsen quietschten, Reifen drohten, auf dem nassen Asphalt die Haftung zu verlieren, der Fahrer steuerte gegen und brachte das Gefährt wenige Meter vor einer Schafherde zum Stehen. Die Tiere waren gerettet. Doch die wenigsten Passagiere hatten rechtzeitig auf die Warnung reagieren können und waren durch die abrupte Bremsung gegen die Sitze ihrer jeweiligen Vordermänner geworfen worden. Sie rieben sich die Beine und Arme, einige die Stirn. Die nächsten Tage würden sie an blauen Flecken und Prellungen keinen Mangel leiden.
    »Na so was!«, kicherte die alte Dame auf dem Sitz neben Beatrice. Als sie den Bus in Bexhall bestiegen hatte, hatte sie die Frau schlafend vorgefunden. Was der Hauptgrund gewesen war, warum Beatrice sich neben sie gesetzt hatte. Jetzt aber war die Rentnerin wach und klatschte begeistert in die Hände. »Das nenne ich doch mal eine gelungene Abwechslung.«
    Beatrice warf ihr einen irritierten Blick von der Seite zu. Was an einem Beinahe-Zusammenstoß mit einer Herde Schafe gelungen sein sollte, wollte ihr nicht einleuchten.
    »Oder etwa nicht?« Die alte Dame hob die Augenbrauen und in ihre Wangen gruben sich schelmische Falten. Ihr langes graues Haar hatte sie zu einem Dutt geflochten.
    »Geht so«, fand Beatrice. Sie hatte den Zusammenstoß mit dem Vordersitz zwar abfangen können, sich dabei aber die Hand umgeknickt. Der Schmerz im Handgelenk war nicht weiter schlimm und würde in zehn Minuten nicht mehr zu spüren sein, trotzdem fiel es ihr schwer, dem Vorfall etwas Positives abzugewinnen.
    Die Schafe verschwanden so schnell von der Straße, wie sie aufgetaucht waren. Gemächlich trotteten sie jetzt einen kleinen Hügel hinauf und schenkten dem Gefährt, dem sie beinahe zum Opfer gefallen waren, keinerlei Beachtung. Langsam setzte der Bus sich wieder in Bewegung.
    »Also ich«, machte sich die alte Dame bemerkbar, und ihre Augen

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