Science Fiction Almanach 1981
außergewöhnlich vorkommt, fast wie eine fremdartige Welt wirkt. Bis zu einem gewissen Grade gefallen mir hist o rische Romane und Anthropologie aus den gleichen Grü n den. Meiner Meinung nach gibt es eine Menge anderer fi k tionaler Stoffe, die man Science Fiction nennen könnte, weil sie in der Tat diesen fremdartigen Ansatzpunkt der Betrac h tung in sich bergen. Im früheren Verlauf dieses Abends sprachen wir über den Kinofilm Airport und welche herau s ragende Rolle darin die Technologie spielt. Letztlich dreht es sich um die gleiche Sache: um eine unterschiedliche B e trachtungsweise der Welt. In Airport nimmt die Technologie den Vorrang ein, in Shõgun geht es eher um soziologische Aspekte. Ich glaube, es dreht sich um den Stellenwert der Einmaligkeit des Hintergrundes. Manchmal mache ich mir allerdings nicht allzuviel aus historischen Romanen, denn sehr oft wird die Realität zu buchstabengetreu abgebildet. Der Autor muß den Versuch unternehmen, die Gesellschaft so darzustellen, wie sie wirklich war; der überwiegende Teil der menschlichen Geschichte war, um es mal so zu sagen, keinesfalls ausgesprochen glorreich. Wenn man dagegen seine eigene Gesellschaft erfindet, kann man sie so anlegen, auch ihr Alltagsleben, daß alles aufs beste eingerichtet ist. Sie ist nach den Idealen organisiert, die man in der Gesel l schaften der man selber lebt, verwirklicht sehen möchte. Das ist vermutlich die eskapistische Seite der Science-fiction. Natürlich ist Gesellschaft jedoch in der Science-fiction nicht immer so ideal konzipiert; schaut man jedoch auf die G e schichte zurück, so sieht man das, was sich ereignet hat – eine Art von mühsamer, ankämpfender Aufwärtsbewegung, um das Leben der Menschen zu verbessern. Dies alles trägt dazu bei, daß ich die SF den historischen Fiktionen vorzi e he, aber ich muß hinzufügen , daß beide im Hinblick auf i h ren Hintergrund gewisse Gemeinsamkeiten besitzen.
Frage: Wie lange können Sie die positiven Werte in der Science Fiction ohne Erwähnung der negativen darstellen, ohne daß Sie dabei das Moment der Wahrscheinlichkeit aus den Augen verlieren? Ich bin davon überzeugt, daß die Z u kunft etwas anderes ist als diese mühsame, ankämpfende Aufwärtsbewegung, von der Sie eben sprachen. Die Ve r gangenheit wird einfach weitergeführt.
Vinge: Sie glauben doch nicht etwa, daß die Menschheit dazu verdammt ist, alle ihre einmal begangenen Fehler zu wiederholen?
Frage: Nein, aber sie wird neue hinzuerfinden.
Vinge: Na, da haben Sie vermutlich recht, und davon handelt Science Fiction ja auch oft: daß der Mensch neue Fehler begeht und sich dann mit ihnen herumplagen muß. Meiner Meinung nach wurde dieses Prinzip mehr oder w e niger von der Ökologiebewegung entdeckt – alles Neue b e rührt auf direkte Weise Altes und ruft unerwartete Effekte hervor, mit denen dann niemand gerechnet hat. Wenn man ausschließlich Utopien entwirft, in denen keine Konflikte entstehen und ausgetragen werden, in denen alles perfekt ist, entwickelt sich aus einem solchen Mangel an Konfliktstoff auch keine Geschichte. Auch in einer fiktional gestalteten Zukunft kommt man ohne Drama und Konflikt nicht aus.
Ich möchte hier keinesfalls den Eindruck erwecken, ich sei einfältig. Es ging mir nur darum zu betonen, daß man bei der Konstruktion eines historischen Romans wenig Au s wahlmöglichkeiten hat. Wenn man genau durchleuchten will, was sich tatsächlich ereignet hat, kann man nicht viel hinzuerfinden. Es kommen dann Sachen heraus wie die A r beiten von Georgette Heyer, bei denen es sich letztlich um Fantasy-Produktionen aus dem England der Regency-Zeit handelt. Man bekommt diese langatmigen und umfangre i chen historischen Schinken heraus, in denen die Lebensg e schichte von Heinrich V. oder irgend etwas anderes erzählt wird. Grundsätzlich hat man sich mit der geschichtlichen Realität der jeweiligen Gesellschaft auseinanderzusetzen, wenn man sie getreu wiedergeben will. Hingegen kann man in Zukunftsgesellschaften die unterschiedlichsten Dinge manipulieren. Wenn man mit den Gebilden seiner eigenen Vorstellung herumspielt, übernimmt man in gewisser Hi n sicht die Funktion eines Gottes. Man kann in einer solchen Gesellschaft tun und lassen, was man will, und selbst wenn die Dinge unerfreulich werden, behält man immer noch die Kontrolle. Die Geschichte ist unter Kontrolle, wenn man an einem historischen Roman arbeitet, da sie sich bereits in Grundzügen ereignet hat. Ein Teil der
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