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SdG 06 - Der Krieg der Schwestern

SdG 06 - Der Krieg der Schwestern

Titel: SdG 06 - Der Krieg der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Entscheidung, deinen verletzten Stolz an ihr auszulassen. Dayliss wird mein Weib werden, wenn wir zurückkehren. Sie anzugreifen heißt mich anzugreifen.«
    Karsa erstarrte zur Bewegungslosigkeit. »Aber Bairoth«, sagte er leise und sanft, »ich greife an, wo ich will. Mangel an Mut kann sich wie eine Seuche ausbreiten – hat sich ihr Segen bei dir in einen Fluch verwandelt? Ich bin der Kriegsführer. Ich ermutige dich, mich herauszufordern – jetzt gleich, noch ehe wir unsere Heimat verlassen.«
    Bairoth zog die Schultern hoch, beugte sich langsam nach vorn. »Es ist nicht Mangel an Mut«, knurrte er, »der meine Hand ruhig hält, Karsa Orlong – «
    »Ich bin erfreut, das zu hören. ›Die Sterne kreisen. Lasst uns reiten ‹«
    Bairoth machte ein finsteres Gesicht, als er unterbrochen wurde, und einen Augenblick sah es so aus, als wollte er noch mehr sagen, doch dann hielt er inne. Er lächelte und entspannte sich wieder. Dann warf er Dayliss einen Blick zu und nickte, als bekräftigte er stumm ein Geheimnis, und intonierte: »›Die Sterne kreisen. Führe uns zum Ruhm, Kriegsführer.‹«
    Delum, der die ganze Zeit schweigend und mit ausdruckslosem Gesicht zugesehen hatte, sprach nun ebenfalls. »›Führe uns zum Ruhm, Kriegsführer.‹«
    Mit Karsa an der Spitze ritten die drei Krieger durch das Dorf. Die Ältesten des Stammes hatten sich gegen die Reise ausgesprochen, daher kam niemand heraus, um sie aufbrechen zu sehen. Aber Karsa wusste, dass alle hörten, wie sie vorbeiritten, und er wusste auch, dass sie es eines Tages bedauern würden, dass alles, was sie von diesem Aufbruch mitbekommen hatten, gedämpftes Hufgetrappel gewesen war. Nichtsdestotrotz wünschte er sich sehnlichst zumindest noch einen Zuschauer außer Dayliss. Nicht einmal Pahlk war aufgetaucht.
    Und doch habe ich das Gefühl, als würden wir beobachtet. Vielleicht von den Sieben. Von Urugal, der bis zu den Sternen emporgestiegen ist, der auf den Strömungen des Himmelsrades reitet und jetzt auf uns herabschaut. Höre mich, Urugal! Ich, Karsa Orlong, werde für dich tausend Kinder erschlagen! Tausend Seelen, um sie dir zu Füßen zu legen!
    Ganz in der Nähe jaulte ein Hund unruhig im Schlaf, wachte aber nicht auf.
    Auf der Nordseite des Tals, oberhalb des Dorfes direkt an der Baumgrenze, standen dreiundzwanzig stumme Zeugen des Aufbruchs von Karsa Orlong, Bairoth Gild und Delum Thord. Geisterhaft warteten sie in der Dunkelheit zwischen den breitblättrigen Bäumen und verharrten noch reglos, als die drei Krieger schon längst auf dem östlichen Pfad außer Sicht waren.
    Sie waren als Uryd geboren worden – und dann geopfert worden. Blutsverwandte von Karsa, Bairoth und Delum. In ihrem vierten Lebensmonat waren sie alle den Gesichtern im Fels übergeben worden, waren von ihren Müttern bei Sonnenuntergang auf der Lichtung abgelegt worden. Sie hatten die Umarmung der Sieben erhalten sollen, doch sie waren alle verschwunden, bevor die Sonne wieder aufgegangen war. Sie waren allesamt einer neuen Mutter übergeben worden.
    Sie waren ’Siballes Kinder, damals und jetzt. ’Siballe, die Ungefundene, die einzige Göttin unter den Sieben, die keinen eigenen Stamm hatte. Und daher hatte sie sich einen geschaffen, einen geheimen Stamm, der von den sechs anderen genährt wurde. Sie hatte ihnen von ihren persönlichen Blutsbanden erzählt – um sie mit ihren ungeopferten Verwandten zu verbinden. Sie hatte ihnen auch von ihrer eigenen, ganz besonderen Aufgabe erzählt, von dem Schicksal, das auf sie – und nur auf sie – wartete.
    Sie nannte sie ihre Gefundenen, und das war auch die Bezeichnung, unter der sie sich selbst kannten, der Name ihres eigenen verborgenen Stammes. Sie hausten ungesehen inmitten ihrer Verwandten, niemand in den sechs Stämmen ahnte etwas von ihrer Existenz. Es gab ein paar, wie sie wussten, die vielleicht einen Verdacht hegten – aber dieser Verdacht war auch schon alles. Männer wie Synyg, Karsas Vater, der die Erinnerungs-Blutpfähle mit Gleichgültigkeit wenn nicht gar Verachtung behandelte. Solche Männer stellten normalerweise keine echte Bedrohung dar, obwohl gelegentlich härtere Maßnahmen erforderlich wurden, wenn sich eine echte Gefahr abzeichnete. So wie bei Karsas Mutter.
    Die dreiundzwanzig Gefundenen, die verborgen unter den Bäumen am Rande des Tals Zeuge wurden, wie die drei Krieger ihre Reise begannen, waren durch das Blut die Brüder und Schwestern von Karsa, Bairoth und Delum, doch sie waren auch

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