Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Security

Security

Titel: Security Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
verstärken, das sie gerade durchlebte. Ihre Beine lagen in der Horizontalen vor ihr ausgestreckt, aber die Rückenlehne des Sessels stand senkrecht, so daß ihr Oberkörper aufgerichtet wurde. Ihre übermächtige Angst – ja sogar Verzweiflung – äußerte sich deutlich in schnellen, flachen Atemzügen. „Nein. Nein. Faß mich nicht an“, sagte sie, und ihre Stimme klang irgendwie resolut, obwohl sie angsterfüllt zitterte.
    Im Alter von sechs Jahren, vor all dieser langen, beschwerlichen Zeit, hatte sie es nie geschafft, sich gegen ihn zu behaupten. Vor lauter Verwirrung war sie unsicher und furchtsam geworden. Seine Begierden waren für sie damals völlig unbegreiflich, genauso unbegreiflich, wie ihr heutzutage vielleicht die komplizierten Einzelheiten der Molekularbiologie vorgekommen wären. Lähmende Furcht und ein schreckliches Gefühl der Hilflosigkeit hatten sie gehorsam werden lassen.
    Und Scham. Eine Scham, so erdrückend wie ein tonnenschweres Gewicht, hatte sie in blanke Resignation getrieben, und da ihr keine Möglichkeit zur Gegenwehr blieb, hatte sie sich damit abgefunden, es einfach über sich ergehen zu lassen.
    In der komplex umgesetzten, virtuellen Version dieser Mißhandlungen war sie zwar wieder ein Kind, aber inzwischen verfügte sie über das Wissen und den Verstand einer Erwachsenen, die sich durch dreißig Jahre voll bitterer Erfahrungen und eine aufreibende Selbstanalyse ihre Stärke hart erkämpft hatte.
    „Nein, Daddy, nein. Faß mich nie, nie, nie wieder an“, sagte sie zu einem Vater, der in Wirklichkeit schon vor langer Zeit gestorben war, jedoch noch immer als lebender Dämon in ihrer Erinnerung und als virtuelle Gestalt in einer elektronischen Welt existierte. Infolge ihrer Begabung als Animationsprogrammiererin und Szenariodesignerin wirkten die wieder zum Leben erweckten Momente ihrer Vergangenheit so greifbar – so echt –, daß es emotional befriedigend und psychisch wohltuend für sie war, diesem Phantomvater die Stirn zu bieten. Seit eineinhalb Jahren unterzog sie sich dieser Prozedur und hatte auf diese Weise einen Großteil ihres irrationalen Schamgefühls abschütteln können. Natürlich wäre es weitaus besser gewesen, tatsächlich durch die Zeit zu reisen, wieder wirklich zum Kind zu werden und ihn leibhaftig zurückzuweisen, so daß der Mißbrauch verhindert wurde, bevor er geschah, und Susan dann unbeschädigt und mit Selbstachtung aufwachsen konnte. Aber es gab leider keine Zeitreisen – außer in Form dieser Annäherung auf virtueller Ebene. „Nein, niemals, niemals“, sagte sie.
    Ihre Stimme klang weder wie die eines sechsjährigen Mädchens noch ganz wie die vertraute Stimme der erwachsenen Susan, sondern eher wie ein Knurren, so gefährlich wie das Fauchen eines Panthers. „Nein“, sagte sie abermals – und fuhr mit ihren gekrümmten behandschuhten Fingern durch die Luft. Überrascht springt er vom Bett auf und weicht vor ihr zurück; eine Hand an seinem verdutzten Gesicht, wo sie ihn gerade gekratzt hat.
    Er blutet nicht. Dennoch ist er von ihrer Gegenwehr völlig überrascht.
    Sie hat auf sein rechtes Auges gezielt, ihn aber bloß an der Wange erwischt.
    Seine grauen Augen sind weit aufgerissen: Haben sie eben noch wie kalte und fremdartige Roboteraugen, funkelnd und bedrohlich ausgesehen, so wirken sie jetzt sogar noch seltsamer, aber nicht mehr ganz so furchteinflößend. Etwas anderes wird in ihnen sichtbar. Unsicherheit. Überraschung. Vielleicht sogar ein wenig Angst.
    Die kleine Susan preßt ihren Rücken gegen das Kopfteil des Bettes und starrt ihren Vater herausfordernd an. Er ist so groß. Ragt bedrohlich vor ihr auf. Sie fummelt nervös am Kragen ihres Schlafanzugs herum und versucht, ihn wieder zuzuknöpfen. Ihre Hand ist so klein. Sie ist oft überrascht, sich im Körper eines Kindes wiederzufinden, aber diese kurzen Momente der Orientierungslosigkeit ändern nichts daran, daß ihr dieses VR-Erlebnis so real vorkommt.
    Sie schiebt den Knopf durch das Knopfloch. Die Stille zwischen ihr und ihrem Vater ist lauter als ein Schrei.
    Wie groß er ist. Wie groß.
    Manchmal endet es hier. Und manchmal … läßt er sich nicht so leicht abweisen.
    Sie hat ihn nicht blutig gekratzt. Manchmal tut sie es. Endlich verläßt er das Zimmer und knallt die Tür so laut hinter sich zu, daß die Fensterscheiben klirren. Susan sitzt alleine da und zittert – teils aus Furcht und teils aus Triumph.
    Allmählich verblaßt die Szene. Schwärze tritt an ihre

Weitere Kostenlose Bücher