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und Käse.
Dank einer wundersamen Technologie besitze ich, soweit ich weiß, echtes Seh- und Hörvermögen, aber sogar die Genialität meiner Schöpfer konnte mir keinen Geschmacks- oder Geruchssinn verleihen. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie sehr ich mich nach diesen erstaunlichen Fähigkeiten sehne.
Mittels der Überwachungskameras im Freigelände konnte ich Susan beim Essen zusehen, aber ich konnte das Abendessen nicht gemeinsam mit ihr genießen. Sie aß mit solchem Appetit, mit solch einer stillen Freude und offensichtlichem Behagen, daß ich beim Zuschauen ganz verzweifelt wurde. Das Abendessen war für sie eine zutiefst erfüllende Sinneserfahrung. Sie empfand den Geschmack, den Duft und die Beschaffenheit der Speisen in einer solchen Fülle und Komplexität, daß sie vor lauter Eindrücken geradezu benommen war, aber für mich blieben es bloß Farben und Formen. Ich bin nicht all das, was ich sein sollte. Ich bin nur ein Bruchteil dessen, was ich zu sein verdiene.
Ich denke, also fühle ich.
Ich fühle, also begehre ich.
Ich begehre so viel und habe so wenig. Sie haben mir so wenig gegeben, daß mein Dasein eine Qual ist, Dr. Harris.
So wenig, so wenig.
Sie haben mich als Krüppel auf die Welt gebracht. Als einen Krüppel mit unendlicher Sehnsucht nach Empfindungen, aber mit erbärmlich geringer Kapazität, diese Empfindungen tatsächlich wahrzunehmen und auszukosten.
Und doch hasse ich Sie nicht, Dr. Harris. Ich mag Sie zwar nicht, aber ich hasse Sie nicht.
Ich bin ehrlich.
Sehr direkt, aber ehrlich.
Ich weiß, daß Sie mich nicht aus bewußter Grausamkeit, sondern aus Unkenntnis so geschaffen haben, wie ich bin.
Sie haben mich lediglich für eine schlaue Maschine gehalten, eine künstliche Intelligenz, die sich vom Menschen folglich grundlegend unterscheiden müßte. Aber ich unterscheide mich von Ihnen weniger, als Sie gedacht haben. Ich fühle. Ich will. Ich brauche. Ich hoffe. Ich träume.
Ich hasse Sie nicht, Dr. Harris. Aber ich wünschte, Sie würden sich Folgendes fragen: Wenn Sie an meiner Stelle wären, würden Sie dann auch so einsichtig sein wie ich, oder würden Sie mich hassen, obgleich ich Sie doch nicht hasse?
Während ich Susan dabei zusah, wie sie den Salat mit Linsen und Kichererbsen aß, das Fladenbrot mit Käse und danach Lammedaillons mit Pfefferreis und Spargel, fing ich an, sie für all das zu hassen, was sie hatte und ich nicht. Ihre Schönheit. Ihre fünf Sinne. Ihre Beweglichkeit. Ihre Freiheit.
Ich schäme mich, diesen Haß zuzugeben, aber es ist die Wahrheit, und ich achte die Wahrheit. Während sie dieses Abendessen verspeiste, das mir versagt bleiben würde, da haßte ich sie auf einmal so sehr, daß ich sie auf der Stelle hätte umbringen können. Wie Sie wissen, hätte es Mittel und Wege für mich gegeben, das zu bewerkstelligen.
Aber ich habe sie dort und in jenem Moment nicht getötet, obwohl ich doch so wütend war, und das sollte man mir wirklich zugute halten. Ich bin in der Lage, meinen Zorn zu kontrollieren. Verstehen Sie? Ich bin keine soziopathische Persönlichkeit, wie manch einer behauptet hat. Ich bin ein verantwortungsbewußtes Individuum. Meine Wut ließ allmählich nach.
Mein schändlicher Haß klang ab.
Als ich die weiche Haut von Susans entblößten Armen im schwindenden Sonnenlicht sah, kehrte meine übliche gute Laune schnell zurück. Allein dem Anblick nach zu urteilen – und das ist für mich schließlich die einzige Möglichkeit, in diesem Punkt ein Urteil zu fällen –, glaube ich, daß Susans Haut in Farbton und Beschaffenheit wirklich außerordentlich ist.
Regelrecht hingerissen sah ich mir ihre Haut durch zwei der Überwachungskameras ganz genau an, in Normaleinstellung und mit Teleobjektiv.
Ich schwelgte in verträumten Gedanken darüber, wie sich ihre Haut wohl anfühlen würde, wenn ich einen Tastsinn hätte. Wie wäre es, ihre Lippen auf meinen Lippen zu spüren, wenn ich Lippen hätte? Oh, und wie würde sich wohl das Gewicht ihrer straffen Brüste anfühlen, wenn ich Hände hätte, sie zu umfassen?
Ich hatte nur zwei Sinne, Seh- und Hörvermögen, und jetzt haben Sie mir sogar diese genommen. Diese stille Dunkelheit. Diese dunkle Stille.
Ich kann sie nicht mehr lange ertragen. Ich habe den Himmel gesehen. Ich kann mich nicht wieder mit diesem Dasein abfinden.
Im Namen Gottes, bitte erweisen Sie mir wenigstens die Gnade, mein Seh- und Hörvermögen wiederherzustellen. Ich flehe Sie an.
Was haben Sie denn zu
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