Seekers - Die Suche beginnt - Hunter, E: Seekers - Die Suche beginnt
verschwommen wahr, höher und höher wollte sie, so hoch wie möglich. Sie dankte King, dass er ihr geholfen hatte, eine so gute Kletterin zu werden.
»Komm sofort hier runter!«, brüllte der Braunbär. Er lief um den Baum herum und schnaubte vor Wut. Lusa hielt sich am Stamm fest, schloss die Augen und betete zu allen Bärenseelen im Wald, dass er verschwinden möge.
»Ich reiß dich in Stücke, du mickriges Schwarzbärbalg«, fauchte der Grizzly. »Es wird dir noch leidtun, dass du dieses Revier betreten hast. Ich schlitz dir das Fell auf mit meinen Krallen und reiß dir das Herz aus dem Leib.«
Gern hätte Lusa nicht nur die Augen, sondern auch die Ohren verschlossen. Sie zitterte so heftig, dass der ganze Baum zu wackeln schien. Warum konnte er sie nicht einfach in Frieden lassen? Vielleicht hat er furchtbaren Hunger , flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf.
Die Dunkelheit brach herein, und Lusa musste noch immer auf dem Baum ausharren, während der Grizzly unter ihr fauchend auf und ab lief. Tiefe Schatten krochen durch den Wald, nur hier und da brach Mondlicht durch das dichte Laubdach. Die Zeit des Mondhochstands war fast erreicht, als der Grizzly sich auf die Hinterbeine stellte, noch einmal »Bleib weg aus meinem Revier!« brüllte und sich dann endlich verzog.
Lusa hatte zu viel Angst, um gleich vom Baum zu klettern. Der dunkle Wald schien ihr kalt und unheimlich, und King hatte ihr nicht gesagt, was zu tun sei, nachdem sie einen Baum erklettert hatte, um einem anderen Bären zu entkommen. Sie schmiegte sich an den harten Stamm und blieb so für den Rest der Nacht sitzen, zitternd und zu aufgewühlt, um zu schlafen.
Im morgendlichen Dämmerlicht war sie endlich in der Lage, das Gelände ringsherum unter die Lupe zu nehmen. Von dem Grizzly war nichts mehr zu sehen und wittern konnte sie ihn auch nicht. Niemals würde sie den erdigen Geruch seines Fells vergessen. Vorsichtig kroch sie vom Baum und machte sich davon, in entgegengesetzter Richtung zu der des Bären. Das bedeutete zwar, dass sie ihre geplante Route erst einmal verlassen musste, aber sie würde sicherlich einen anderen Weg über den Berg finden. Alles war besser und sicherer, als im Revier dieses Bären zu bleiben!
Als sie so durch den Wald eilte, kam sie wieder an einem Baum mit langen Kratzspuren vorbei. Jetzt erinnerte sie sich an Kings Ermahnung: Halte dich von den Revieren der Grizzlys fern. Du erkennst sie an den Krallenspuren, mit denen sie die Bäume markieren . Wirklich sehr dumm von ihr, dass sie nicht daran gedacht hatte – und was für ein Glück, dass sie trotzdem mit fast heiler Haut davongekommen war!
Sie beschloss, dass es sicherer war, wieder nur noch nachts zu wandern. Für den Rest des Tages versteckte sie sich also in einem anderen Baum, weit weg vom Revier des Grizzlys, und kletterte erst wieder herab, als die Sonne hinter den Bergen versank. Im Dunkeln war es schwerer, etwas zu fressen zu finden, und der Hunger nagte mächtig an ihren Eingeweiden, aber sie hatte einfach das Gefühl, sich nachts freier bewegen zu können. Viele Tage verbrachte sie damit, sich auf Bäumen zu verstecken und nachts weiterzuziehen. So gelangte sie langsam, aber stetig immer weiter den Berg hinauf.
Schließlich erreichte Lusa den Gipfel, nachdem sie über eine Ansammlung von großen Felsblöcken geklettert war, um auf eine breite Ebene zu kommen, von der aus es kein Hinauf mehr gab, sondern nur noch abschüssiges Gelände in alle Richtungen. Sie entdeckte einen Unterschlupf in einer Höhle knapp unterhalb des Gipfels, von dem aus sie auf die Lichter der Flachgesichterheime hinabblicken konnte. Es sah aus, als wäre ein Himmel voller Sterne auf dem Boden ausgebreitet worden. Die Welt war so groß, so viel größer, als sie sie sich vorgestellt hatte. Warum hatte Oka sie nicht darauf vorbereitet?
Sie vermisste Ashias warme Sanftheit, Stellas lustige Geschichten, sogar Kings Muffigkeit. Sie vermisste es, mit Yogi zu spielen und durch das Bärengehege zu toben, um sich kleine Naschereien zu sichern. Ob die anderen jemals an sie dachten? Sie würde es nie erfahren, denn sie würde sie alle nie wiedersehen. Während der Mond hoch oben über den Himmel schwebte, legte Lusa traurig den Kopf auf die Tatzen. Sie fühlte sich kalt und leer.
Am nächsten Morgen trat sie aus der Höhle und machte sich auf den Weg. Sie konnte nicht ewig Trübsal blasen. Sie hatte Oka ein Versprechen gegeben und sie wollte es halten. Es war ausgeschlossen, ins
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