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Der Apotheker: Roman (German Edition)

Der Apotheker: Roman (German Edition)

Titel: Der Apotheker: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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Prolog
    September 1666
    A lle waren sich gewiss, dass das Feuer von selbst erlöschen würde, bevor es die Swan Street erreichte. In der Tower Street hatte man begonnen, für eine Feuerschneise Häuser zu sprengen. Sie hatte die Erschütterungen der Explosionen unter den Fußsohlen gespürt, als sie über ihrer Flickarbeit gebeugt saß, und obwohl die Fensterscheiben klirrten, war sie keineswegs beunruhigt. Im Gegenteil, sie fühlte sich völlig ruhig, ja sogar zufrieden. Die Schmerzen, die sie im siebten Monat schrecklich gequält hatten, ließen nach. Wenn das Kind um sich trat, strich sie in beruhigenden Kreisbewegungen über die Wölbung ihres Bauchs und summte dabei altvertraute Wiegenlieder, die ihr so selbstverständlich waren wie ihr eigener Atem.
    In jener Nacht schlief sie tief und traumlos. Selbst als der Nachtwächter donnernd an die Ladentür pochte und rief, das Feuer sei im Anmarsch und alle, die im Bett blieben, würden unweigerlich bei lebendigem Leibe verbrennen, machte sie sich keine Sorgen. Ruhig stand sie auf und legte sich ihr Tuch um die Schultern. Denn trotz des heißen, trockenen Sommers wollte sie nicht riskieren, sich zu erkälten und dem Kind womöglich zu schaden.
    Der Vogel musste im Kamin Zuflucht gesucht haben. Sein Kreischen drang aus dem Rauchfang und hallte gellend auf dem Metall wider, bevor er wie ein Stein auf den leeren Rost stürzte, mit lichterloh brennenden Flügeln, die zuckende Schatten an die Wand warfen. Aus Flammenzungen stiegen Rauchkringel auf, als das Tier verzweifelt flatternd um sich schlug, die Knopfaugen starr vor Entsetzen. Neben dem Kaminrost stand ihr mit Stoffresten gefüllter Nähkorb, der mit Funken übersät war. Träge, fast wie ermüdet allein von der Vorstellung, verbrennen zu müssen, begann ein helles Stück Musselin zu schwelen. Als es schließlich Feuer fing, geschah es mit einem plötzlichen Auflodern und einem gedämpften Seufzer der Überraschung. Die Flammen griffen rasch um sich. Unter dem Gestank verbrannter Federn stach der unverwechselbare Geruch gerösteten Fleisches hervor.
    Da floh sie die Treppe hinunter, hinaus ins Freie, die Schöße ihres Nachtgewands raffend. Auf den Straßen drängten sich Menschen, die schreiend und einander stoßend aufgeregt hin und her liefen. Über ihnen loderte das Feuer wie ein gewaltiger, von rußigem, ölig schwarzem Rauch gesäumter Bogen. Der Wind heulte und tobte zwischen den Höllenflammen wie ein Rudel Hunde, stachelte das Feuer weiter an, forderte es heraus, trieb es vorwärts. Plötzlich drehte sie sich um.
    Mr Black. Sie hatte gar nicht an ihren Mann gedacht. Funken stoben auf und schwirrten ihr wie wild gewordene Bienen vor dem Gesicht. Die Glasscheiben der Fenster schrumpften zu gelbem Pergament. Jemand schrie und prallte mit solcher Wucht gegen sie, dass sie fast zu Boden geschleudert wurde. Fast besinnungslos taumelte sie weiter, kämpfte sich durch den Strom von Menschen, der sich hinunter zum silbrig schimmernden Fluss ergoss, auf Rettung hoffend. Über ihr kreisten Vögel mit gellendem Geschrei und malten Flammenbögen in den Himmel. Staub und Rauch brannten ihr in Augen und Kehle, sodass ihr das Atmen wehtat.
    Auf der Cheapside war der Rinnstein scharlachrot von geschmolzenem Blei, dem flüssig gewordenen Dach der mächtigen St.-Paul’s-Kathedrale. Der Lärm war ohrenbetäubend. Ihre Schreie wurden übertönt von den Menschenmassen, dem panischen Wiehern von Pferden, dem Krachen und Donnern einstürzender Häuser und dem mörderischen Geheul des Windes, der die Flammen immer weiter vorwärtspeitschte. Hinter ihr brachen die Holzbalken des Kirchturms mit schrecklichem Getöse entzwei. Die Zeit stand still, als sie sich umwandte und die Hände vors Gesicht schlug, das ihr weit entfernt schien und gefühllos wie Wachs. Eine Feuersäule, so hoch wie ein Schiffsmast, stand schwankend über ihr, die Flammen gebläht wie ein Segel. Erst ein grollender Donner wie ein letztes Zögern, dann ein Ächzen, und schon stürzte die Säule in einer Explosion aus Rot, Gold und Schwarz in sich zusammen und schleuderte Hunderttausende leuchtender Flammenzungen in die Luft.
    Panische Angst lähmte ihr die Glieder und ließ die Gedanken in ihrem Kopf zu weicher weißer Asche verglühen. Sie konnte nichts tun, nichts denken. Der Atem in ihren Lungen wurde heiß und schal. Das Kind in ihrem Bauch schlug wie rasend um sich und rammte ihr seine Ellbogen ins Fleisch, aber auch das vermochte sie nicht wachzurütteln.

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