Segel der Zeit
Grenze der Gretel beschleunigte. Anfangs lagen die beiden Sonnen der Gretel steuerbords, die der Falkenformation backbords. Allmählich blieben sie immer weiter zurück, und ihr Licht rötete sich. In Nationen wie Slipstream würden die Menschen trotz der ständigen Dämmerung manchmal noch Farmen oder Produktionsstätten betreiben; wer hier drauÃen aufgewachsen war, kam oft zurück und behauptete, das dezente Farbenspiel auf den Wolken zu lieben. Getreide wuchs nicht mehr, wenn das Licht zu schwach wurde, aber die meisten Regierungen lieÃen ihre Leute in jeder Entfernung siedeln, in der sie überleben konnten.
In der Falkenformation war dergleichen strenger geregelt. »Es gibt keine Häuser mehr«, bemerkte Richard Reiss plötzlich, nachdem sie einige Stunden geflogen waren. Chaison schaute durch ein Bullauge und sah nichts als einen endlosen Abgrund aus purpurner Luft mit vereinzelten pfirsichfarbenen Wolken. Richard hatte Recht; weit hinter ihnen, wo sich der Kondensstreifen des Katamarans vor einem türkisblauen Himmel kräuselte,
glitzerten ein paar Lichtpünktchen, aber seitlich und vor ihnen war nichts.
»Sie dürfen hier drauÃen nicht bauen«, erklärte Antaea. Sie hatte mit Chaison kein Wort mehr gewechselt, seit Kestrel mit seiner Geschichte angefangen hatte. Seit einer geschlagenen Stunde saà sie schweigend da und reparierte ihre Stiefel. Nun beugte auch sie sich vor, um durch das Bullauge zu schauen. »Ein ziemlich sicheres Zeichen dafür, dass wir uns der Falkenformation nähern. Man kann die Reglementierung schon von hier aus sehen.«
Chaison schaute nach vorne in die azurblaue Winterluft und fragte bemüht sachlich: »Wenn ich recht verstehe, sind die Lufträume vor uns also leer?«
» Sehr leer«, erklärte sie und nickte. Seinem Blick wich sie immer noch aus. »Die Falken bewachen eine Zone von mindestens achtzig Kilometern Breite und schieÃen sofort auf alles, was sich nicht zwischen den Bojen in einem Flugkorridor befindet. Was in den Korridoren fliegt, wird geentert.«
»Wir sollten uns also beeilen.«
Sie zuckte die Achseln. »Wir können getrost davon ausgehen, dass sie im Moment anderweitig beschäftigt sind.«
Chaison ging trotzdem nach vorne und schnallte sich in den Sessel des Copiloten. Darius flog den Kat mit Begeisterung; wenn Chaison den Jungen beobachtete, konnte er bereits den künftigen Mann erahnen. Er musste lächeln. »Wir fliegen tatsächlich nach Hause«, sagte er.
Darius gähnte und räkelte sich genüsslich. Vor ihnen gab es nichts als immer tieferes Blau. »Hoffentlich verirren wir uns nicht«, gab er zurück.
»Wir fliegen nicht ganz in den Winter hinein.« Chaison richtete sich unversehens auf. »Oder etwa doch?«
»Nein, nein.« Darius schüttelte lachend den Kopf. »Antaea meinte, wir sollten die Sonnen der Falken auf der Backbordseite behalten, bis wir die unsere finden, und dann geradewegs auf sie zuhalten. SchlieÃlich haben wir keinen Gridde für die Navigation.«
Chaison musste lächeln, als er an den Alten und seine Leidenschaft für die Modellboxen mit den Edelsteinen an feinsten Haaren dachte, die die Städte und Sonnen Meridians darstellten. Gridde war wenige Stunden nach seinem gröÃten Triumph eines natürlichen Todes gestorben: er hatte Chaisons Flaggschiff zum legendären Schatz des Piraten Anetene geführt. Die Anstrengung hatte ihm seine letzten Kräfte geraubt, doch als ihn der Tod ereilte, war er glücklich und voller Stolz auf seine Leistung gewesen.
Chaison und Darius wechselten einen traurigen Blick. Dann sagte Chaison: »Die Falken durchkämmen dieses Gebiet nach Piraten und Schmugglern. Der Luftraum vor uns müsste frei sein, falls du etwas mehr Gas geben möchtest.«
»Klar.« Darius nickte. »Aber ungefähr in einer Stunde sollte mich jemand ablösen.«
»Dann mache ich jetzt ein Nickerchen.« Chaison wollte schon aufstehen, doch dann sagte er: »Aber zuvor musst du mir erzählen, wie ihr mich gefunden habt. Und wie ihr aus Songly entkommen seid und Kestrel gefangennehmen konntet.«
Darius lachte. »Ist das alles? Mehr wollen Sie nicht von mir hören?« Er lächelte in das unendliche Blau vor der Kanzel hinein. »Aber die Sache ist eigentlich ganz
einfach. Nicht wir haben Kestrel gefangen â es war eher umgekehrt.«
Der Kampf mit
Weitere Kostenlose Bücher