Seidene Küsse
Rasierseife mit einem weichen Pinsel zu einem Eischnee-Schaum aufzuschlagen. Ebenso unbeeindruckt schliff die Orangefarbene eine antik aussehende Rasierklinge gekonnt an einem Lederriemen. Immer wieder prüfte sie die Schärfe der Klinge an einer ihrer langen dunklen Locken, bis sie endlich zufrieden war. Gebannt sah ich den beiden zu. Noch heute frage ich mich, warum ich nicht aufgesprungen bin und das Weite gesucht habe. Es kam mir so vor, als wäre ich irgendwie gespalten, zwei Personen in einer. Die eine sagte mir: »Das sollte dir jetzt peinlich sein. Eigentlich müsstest du dich schämen.« Aber mein anderes Ich fühlte nur, gab sich hin, war bis in die Spitzen der feinen Härchen auf meinem Po gespannt, sensibilisiert, erregt, gereizt…
Meine Gedanken schweiften zu einer Szene aus einem Italo-Western, in der ein staubiger, zerknautschter und bartstoppeliger Cowboy nach tagelangem Ritt beim Barbier der Stadt durch eine messerscharfe Rasur zum strahlend reinen Helden gewandelt wird. Dieses unverwechselbare, schabende Geräusch des Messers auf seiner Haut … nein, auf
meiner
Haut, klang mir jetzt im Ohr.
Meine Bauchdecke war angespannt, hart wie ein Brett. Ich wagte nicht, mich fallen zu lassen, doch es blieb mir nichts anderes übrig. Das ganze Geschehen schien so natürlich wie ein Geburtsvorgang, der Außenstehende erschreckt, aber den Protagonisten ebenso gottgegebene wienotwendige Prozesse abverlangt.
Für mich gehören nicht nur die Körperpflege oder das Gebären, sondern auch alles, was mit Sex oder Erotik zu tun hat, ins Privatgemach, hinter verschlossene Türen. Ich verabscheue Liebesszenen in Filmen, finde die nackten Mädchen auf den Titelblättern der Tageszeitungen mit ihren anrüchigen Texten abstoßend und ignoriere die Tatsache, dass es Pornofilme undheftchen gibt, weil ich mir den Zauber der zweisamen Intimität bewahren möchte.
Mit meinen Intimlocken verlor ich auch meine Scham. Komisch, dass dieses Wort für den Körperteil gewählt wurde, mit dem wir die scham lo ses ten Handlungen vollziehen.
Noch nie zuvor hatte mich jemand so berührt, nicht mal ich selbst. Ich spürte eine Hand, Finger an meinen prall geschwollenen unteren Lippen, das kühle, glatte Messer, das über die samtene Haut meiner Vulva glitt. Unaufhörlich durchzuckten kleine Blitze meinen Unterleib. Die beiden Frauen verrichteten stoisch ihre Arbeit. So hatte ich noch nie empfunden. Immer wieder begaben sich meine Gedanken auf Wanderschaft: Wenn mein Chef mich hier sähe … Unmöglich, dass Rosa und Antonia wussten, was hier tatsächlich geschah … Die hätten doch nie …
Ich blickte an mir herab. Beim Gynäkologen mache ich immer die Augen zu, wenn der kalte Stahl dieses martialischen Abstrich-Dildos in mich eindringt.
In harmonischer Eintracht, ein vollkommen aufeinander abgestimmtes Team, teilten sich die beiden Frauen ihre Aufgabe, mich von meiner schützenden Lockenpracht zu befreien, und das mit einer Selbstverständlichkeit, als ginge es darum, das Mahl für die Familie zuzubereiten. Nur ihre zur Schau gestellte üppige Sinnlichkeit unter den durchsichtigen Gewändern verriet, dass es hier um etwas anderes als ein Mittagessen ging.
Staunend sah ich zu, wie sich mein Unterleib verjüngte, das Aussehen eines jungen Mädchens erhielt. Glatt und zart, wie das Blütenblatt einer kostbaren rosigen Blume.
Mit einem dampfend heißen, feuchten Lappen, wie er einem beim Japaner vor dem Sushi-Essen gereicht wird, wischte die orange gekleidete Frau den restlichen Seifenschaum von meinem Unterleib. Anschließend rieb die Aquamarinfarbene meinen jungfräulichen Schoß mit einer kühlenden Lotion ein, die jedoch keinesfalls dafür sorgte, dass er abschwoll. Vielmehr reizte mich diese offensichtlich ohne erotischen Hintergrund vollzo gene Behandlung nur noch mehr.
Behutsam hoben die beiden Frauen gleichzeitig meine Beine von den Ablagen, stützten mich beim Aufrichten und geleiteten mich wieder mit dieser ihnen eigenen, sanften Bestimmtheit zu einem anderen Stuhl. Der glich wiederum einem Zahnarztstuhl, in den ich mich aufrecht setzen konnte.
Was wohl jetzt noch kam?
Die Orangefarbene nahm ein tönernes Gefäß von der Ablage des Zahnarztstuhls auf, das aussah wie ein kleiner Topfdeckel. Sie tauchte einen Finger in ein geschnitztes Steintöpfchen, das mit warmem Rosenwasser gefüllt war. Das konnte ich ganz deutlich riechen. Dann rieb sie den angefeuchteten Finger in dem tönernen Gefäß, das sich wie eine kleine
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