Seidenfächer
wertloses Mädchen, und bis es so aussah, als würde ich meine Milchjahre überleben, lohnte es nicht, Zeit auf mich zu verwenden. Sie betrachtete mich, wie alle Mütter ihre Töchter betrachten – als Besucherin auf Zeit, als ein weiteres hungriges Maul, das man stopfen musste, als einen weiteren Körper, der gekleidet werden musste, bis ich ins Haus meines Ehemanns zog. Ich war fünf, alt genug, um zu wissen, dass ich ihre Aufmerksamkeit nicht verdiente, doch ich sehnte mich plötzlich danach. Ich wollte so gerne, dass sie mich
ansah und mit mir sprach wie mit Älterem Bruder. Doch selbst in diesem Augenblick, als ich zum ersten Mal ein wirklich tiefes Verlangen empfand, war ich so schlau zu wissen, dass Mama jetzt nicht gestört werden wollte, weil sie um diese Zeit immer so viel zu tun hatte. Sie hatte mich nämlich schon so oft gescholten, weil ich zu laut geredet hatte oder Löcher in die Luft um mich herum geschlagen, wenn ich ihr im Weg stand. Stattdessen gelobte ich, wie Ältere Schwester zu sein und so unauffällig und aufmerksam wie möglich zu helfen.
Großmutter tippelte herein. Ihr Gesicht sah aus wie eine Dörrpflaume, und sie ging so gebeugt, dass wir einander in die Augen sehen konnten.
»Hilf deiner Großmutter«, befahl mir Mama. »Sieh nach, ob sie etwas braucht.«
Obwohl ich mir gerade etwas gelobt hatte, zögerte ich. Das Zahnfleisch von Großmutter war morgens klebrig und sauer, und niemand wollte in ihre Nähe. Ich schlich mich an ihre Seite und hielt die Luft an, aber sie winkte mich ungeduldig weg. Vor lauter Eile rempelte ich meinen Vater an, die elfte und wichtigste Person in unserem Haushalt.
Weder tadelte er mich, noch sagte er zu sonst jemandem etwas. Meines Wissens würde er erst sprechen, wenn dieser Tag hinter ihm lag. Er setzte sich und wartete darauf, bedient zu werden. Ich sah Mama genau zu, wie sie ihm wortlos seinen Tee einschenkte. Ich wollte sie bei ihrer morgendlichen Routine nicht stören, aber sie konzentrierte sich sowieso nur auf meinen Vater. Er schlug meine Mutter selten und nahm sich nie eine Konkubine, aber ihre Vorsicht in seiner Nähe war uns allen eine Warnung.
Tante stellte Schalen auf den Tisch und teilte das Congee aus, während Mama das Baby stillte. Nach dem Essen machten sich mein Vater und mein Onkel auf zu den Feldern, und meine Mutter, Tante, Großmutter und Ältere Schwester gingen hinauf
ins Frauengemach. Ich wäre gerne mit Mama und den anderen Frauen in unserer Familie mitgegangen, aber ich war noch nicht alt genug dafür. Was es noch schlimmer machte, ich musste jetzt Älteren Bruder mit dem Baby und Dritter Schwester teilen, als wir wieder hinausgingen.
Ich trug das Baby auf dem Rücken, während wir Gras mähten und nach Wurzeln für unser Schwein suchten. Dritte Schwester folgte uns, so gut sie konnte. Sie war ein lustiges, eigensinniges kleines Ding. Sie tat verwöhnt, wo doch die Einzigen, die ein Recht darauf hatten, verwöhnt zu werden, unsere Brüder waren. Sie hielt sich für diejenige, die in unserer Familie am meisten geliebt wurde, obwohl nichts dafür sprach.
Sobald wir unsere Aufgaben erledigt hatten, erkundeten wir vier das Dorf und liefen durch die Gassen zwischen den Häusern, bis wir auf ein paar andere Mädchen trafen, die gerade seilsprangen. Mein Bruder blieb stehen, nahm mir das Baby ab und ließ mich auch springen. Dann gingen wir zum Mittagessen nach Hause – es gab etwas Einfaches, nur Reis und Gemüse. Anschließend begleitete Älterer Bruder die Männer, und der Rest von uns verschwand nach oben. Mama stillte das Baby wieder, dann machte es mit Dritter Schwester einen Mittagsschlaf. Schon in diesem Alter genoss ich es, mit meiner Großmutter, Tante, Schwester, Cousine und besonders mit meiner Mutter im Frauengemach zu sein. Mama und Großmutter webten, Schöner Mond und ich rollten Garnknäuel auf, Tante setzte sich mit Pinsel und Tusche hin und malte sorgfältig ihre Geheimschriftzeichen, während Ältere Schwester darauf wartete, dass ihr ihre vier Schwurschwestern einen nachmittäglichen Besuch abstatteten.
Schon bald hörten wir vier Paar Lilienfüße leise die Treppe heraufkommen. Ältere Schwester begrüßte jedes Mädchen mit einer Umarmung, dann hockten sich die fünf zusammen in eine Ecke. Sie hatten es nicht gern, wenn ich sie bei ihren Gesprächen störte, aber ich sah ihnen trotzdem genau zu, denn ich
wusste, dass ich in zwei Jahren selbst zu einem Schwesternbund gehören würde. Die Mädchen stammten
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