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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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von Combelot und hundert
andere beglückwünschten ihn, streckten den Arm aus, um im
Vorübergehen einen Händedruck von ihm zu erlangen. Die
Erschütterung im Saale schien fortzudauern. Auf den Galerien wurde
lebhaft geredet und gestikuliert. Unter dem sonnenhellen Glasdache
zwischen den Vergoldungen und Marmorsäulen, dem ernsten Luxus, der
die Mitte hielt zwischen einem Tempel und einem Geschäftszimmer,
herrschte ein bewegtes Treiben wie auf einem öffentlichen Platze,
ein Gelächter des Zweifels, Ausrufe des Erstaunens und der
übertriebenen Bewunderung, das Geschrei einer von der Leidenschaft
geschüttelten Menge. Die Blicke des Herrn von Marsy und Clorindens
kreuzten sich, und beide nickten mit dem Kopfe; sie gestanden den
Triumph des großen Mannes zu. Rougon hatte mit seiner Rede jene
wunderbare Laufbahn begonnen, die ihn so hoch führen sollte.
    Inzwischen hatte ein Abgeordneter die Tribüne bestiegen. Er
hatte ein rasiertes, wachsbleiches Antlitz und lange, gelbe Haare,
deren dünne Locken auf seine Schultern herniederfielen. Steif, ohne
eine Gebärde, mit leiser Stimme las er von großen Blättern Papier
das Manuskript einer Rede herunter. Die Saalbeamten riefen
laut:
    »Stille, meine Herren!«
    Der Redner verlangte Aufklärungen von der Regierung. Er zeigte
sich sehr gereizt wegen der zuwartenden Haltung Frankreichs
angesichts des von Italien bedrohten heiligen Stuhles. Die
weltliche Macht des Papsttums sei die heilige Arche, meinte er, und
die Adresse solle den förmlichen Wunsch, ja eine Aufforderung zum
vollen Schutze dieser weltlichen Macht enthalten. Die Rede erging
sich in historischen Betrachtungen und wies nach, daß das
christliche Recht mehrere Jahrhunderte vor den Verträgen vom Jahre
1815 die politische Ordnung in Europa festgestellt habe. Dann kamen
Äußerungen einer entsetzten Beredsamkeit; der Redner sprach mit
Schrecken davon, daß die alte europäische Gesellschaft inmitten der
Zuckungen der Völker sich auflöse. Mitunter hörte man direkte
Anspielungen auf den König von Italien, was jedesmal eine lebhafte
Bewegung im Saale hervorrief. Rechts saß eine Gruppe von klerikalen
Abgeordneten, nahezu hundert Mitglieder, die aufmerksam zuhörten,
die mindesten Sätze mit Beifall begleiteten und jedesmal Beifall
klatschten, wenn der Redner mit einem leichten Neigen des Kopfes
den Papst nannte.
    Der Abgeordnete auf der Tribüne schloß mit Worten, die mit
lauten Bravorufen begleitet wurden.
    »Es mißfällt mir,« sprach er, »daß Venezia die Herrliche, die
Königin der Adria, die Vasallin Turins geworden.«
    Rougon, dessen Nacken noch in Schweiß gebadet und dessen Stimme
noch heiser war, der infolge seiner ersten Rede am ganzen, Körper
gebrochen schien, bestand darauf, sogleich zu antworten. Es war ein
schöner Anblick. Er machte Staat mit seiner Ermüdung und schleppte
sich ordentlich zur Tribüne, wo er mit einigen kaum verständlichen
Worten begann. Er beklagte sich mit Bitterkeit, unter den Gegnern
der Regierung angesehene Männer zu finden,
die bisher den kaiserlichen Einrichtungen so sehr ergeben waren. Es
bestehe sicherlich ein Mißverständnis; sie könnten unmöglich die
Reihen der Revolutionäre vergrößern, eine Macht erschüttern wollen,
die unausgesetzt bemüht sei, den Triumph der Religion zu sichern.
Dann wandte er sich an die Klerikalen und sprach zu ihnen mit einer
schlauen Unterwürfigkeit wie zu mächtigen Widersachern, den
einzigen, vor denen er zittere.
    Doch allmählich hatte seine Stimme ihren ganzen Schwung wieder
erlangt. Er erfüllte den Saal mit seinem Gebrüll und führte,
mächtige Faustschläge gegen seine Brust.
    »Man hat uns der Irreligiosität geziehen. Man hat gelogen! Wir
sind das ehrfurchtsvolle Kind der Kirche und sind so glücklich zu
glauben … Ja, meine Herren, der Glaube ist unser Führer und
unsere Stütze in dieser zuweilen so schweren Aufgabe der Regierung.
Was sollte aus uns werden, wenn wir uns nicht den Händen der
Vorsehung anheimgeben? Wir haben den einzigen Ehrgeiz, der demütige
Vollstrecker ihrer Absichten, das gefügige Werkzeug des Willens des
Herrn zu sein. Das ist's, was uns gestattet, unsere Stimme laut zu
erheben und ein wenig Gutes zu tun … Meine Herren, ich bin
glücklich, mit dem ganzen Glaubenseifer meines katholischen Herzens
hier mein Knie zu beugen vor dem Papst-Herrscher, vor dem erhabenen
Greise, dessen wachsame und ergebene Tochter Frankreich bleiben
wird.«
    Das Beifallsklatschen wartete das Ende dieser Worte

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